Berlin. Der Nahost-Beauftragte des Auswärtigen Amts, Tobias Tunkel, geht fest davon aus, dass die neue Bundesregierung das hohe Engagement für Syrien fortsetzen wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Übergangsprozess gelinge, sei größer, wenn Deutschland sich beteilige, sagte er bei einer Veranstaltung der Denkfabrik Centre for Humanitarian Action und von Caritas International am Dienstag in Berlin. Das sei keine „parteipolitische Präferenz“, sondern entspreche dem Interesse Deutschlands.
Erklärtes Ziel sei ein „inklusives Syrien, das seine Minderheiten schützt und ihnen Rechte einräumt“, sagte Tuchel. Der Diplomat, der die geschäftsführende Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf ihrer ersten Reise nach Syrien begleitet hatte, warnte aber auch davor, zu viele Vorschriften für die Übergangsregierung zu machen, wie diese Ziele erreicht werden sollen. „Wir wünschen uns eine Demokratie in Syrien, aber bis dahin wird es ein langer Weg sein“, sagte Tunkel.
Caritas: Die Sanktionen lockern
Die Aufgabe der Bundesregierung sieht der Nahost-Beauftragte nicht nur darin, Gelder bereitzustellen, sondern vor allem, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, um die Lebensgrundlage der Syrerinnen und Syrer zu verbessern. Es sei an der internationalen Gemeinschaft, die „schützenden Arme um Syrien zu legen“, damit der Übergangsprozess von der Bevölkerung selbst gestaltet werden könne, ohne dass sich Akteure von außen einmischen.
Der Leiter der Hilfsorganisation Caritas International, Oliver Müller, betonte: „Die Zivilgesellschaft in Syrien erwartet jetzt, dass der Westen nicht nachlässt.“ Vor allem die Sanktionen gegen das Land gälten für viele Syrerinnen und Syrer als „Hauptübel“ für die schlechte wirtschaftliche Lage. Hinzu komme, dass es häufig nur zwei Stunden Strom am Tag gebe, der Großteil der Ärzte und Pfleger das Land verlassen habe und 13-jährige Kinder noch nie in einer Schule gewesen seien. „Das Land ist ausgezehrt“, sagte Müller.
Rebellengruppen unter Führung der islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hatten Anfang Dezember in Syrien das diktatorische Regime des Präsidenten Baschar al-Assad gestürzt und der Bevölkerung einen Neuanfang versprochen. Ende Januar wurde der HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa zum Interimspräsidenten ernannt.