Gerichtshof verurteilt Russland wegen Kriegszensur

Straßburg, Brüssel - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland wegen der systematischen Einschränkung der Meinungsfreiheit nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine verurteilt. Die Straßburger Richter stellten am Dienstag fest, dass die russische Gesetzgebung zur Kriminalisierung von Kritik am Krieg gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße.

Nach dem Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 hatte Russland Gesetze erlassen, die es unter Strafe stellen, das Militär zu „diskreditieren“ oder „Falschinformationen“ über dessen Einsätze zu verbreiten. Daraufhin wurden 178 Personen strafrechtlich oder verwaltungsrechtlich verurteilt. Zudem wurden die unabhängigen Medien „Nowaja Gaseta“ und Doschd TV geschlossen.

Kriminalisierung friedlicher Proteste

Die Richter sehen darin eine Verletzung von Artikel 10 der Konvention, der Meinungsfreiheit garantiert. Sie stellten fest, dass die russischen Gerichte jegliche Berichterstattung unter Strafe gestellt hätten, die der offiziellen Darstellung widersprach. Selbst friedliche Proteste, die Verwendung des Wortes „Krieg“ statt „militärische Spezialoperation“ oder die Thematisierung mutmaßlicher Kriegsverbrechen seien sanktioniert worden.

Zudem habe Russland durch die Schließung der Zeitung der „Nowaja Gaseta“ und der Sperrung ihrer Webseiten gegen Artikel 34 (Recht auf individuelle Beschwerde) verstoßen, da die Behörden eine Anordnung des Gerichtshofs für Menschenrechte ignoriert hätten, die Zeitung zu erhalten.

In fünf Fällen stellte das Gericht weitere Verstöße gegen die Konvention fest, darunter Artikel 3 (Verbot unmenschlicher Behandlung) wegen der Inhaftierung von Oppositionellen in Metallkäfigen während Gerichtsverhandlungen und Artikel 5 (Recht auf Freiheit und Sicherheit) wegen willkürlicher Verhaftungen. Russland wurde verurteilt, den Betroffenen Entschädigungen in unterschiedlicher Höhe zu zahlen.

Russland wurde am 16. September 2022 aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ausgeschlossen und erkennt seitdem weder die Zuständigkeit des Menschenrechtsgerichtshofs, noch seine Urteile an. Der Gerichtshof betrachtet sich weiterhin als zuständig für Beschwerden gegen Russland, die vor dem 16. September 2022 erfolgten.

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