UN-Hochkommissar: "Syrien muss Frauen und Minderheiten schützen"

Genf - Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, will in Syrien ein Büro zur Unterstützung des politischen Übergangsprozesses eröffnen. Bislang sei sein Hochkommissariat in dem Land nicht vor Ort vertreten gewesen, sagte Türk dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Genf. „Das wollen wir ändern, um die künftige Regierung und die Bevölkerung besser in Menschenrechtsfragen zu unterstützen.“ Letztlich müssten die Syrer aber selbst über ihr Schicksal nach dem Sturz des Assad-Regimes entscheiden.

„Wir hoffen, dass die Übergangsregierung ein politisches System auf Grundlage der Menschenrechte schafft“, sagte der Jurist. „Das neue Syrien muss Frauen und Minderheiten besonders schützen und ihre volle Gleichberechtigung garantieren.“ Zudem müssten die Verantwortlichen das ganze Justizsystem tiefgreifend umbauen. Es sollte auch ein Wahrheits- und Versöhnungsprozess in Gang kommen, ähnlich wie in Südafrika nach Ende des rassistischen Apartheid-Regimes.

In Syrien brach 2011 ein Krieg zwischen dem Regime von Diktator Baschar al-Assad und zahlreichen bewaffneten Gruppen aus, darunter die islamistische Miliz Hayat Tahrir al-Scham (HTS). Im Dezember stürzten Rebellen unter Führung der HTS das Regime, die Miliz bestimmte eine Übergangsregierung.
Türk betonte, es dürfe keine Ausnahmen bei der Verfolgung von Bürgerkriegsverbrechen geben - egal ob das Assad-Regime oder eine andere Konfliktpartei dafür verantwortlich sei. Ein Ausschuss des UN-Sicherheitsrats habe die HTS-Miliz 2014 in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen, sagte der Menschenrechtskommissar. Auch wenn die HTS von der Liste gestrichen werden sollte, ändere das nichts an der eventuellen individuellen Verantwortung der Täter.

Auch Vertreter des Assad-Regimes dürften für mutmaßliche Verbrechen nicht straffrei ausgehen, forderte der Österreicher. Französische Behörden hätten einen internationalen Haftbefehl gegen den Ex-Präsidenten ausgestellt. Ein wiederaufgebautes Justizwesen in Syrien stelle auch eine Möglichkeit dar, gegen Assad vorzugehen. Zudem könnte eine neue syrische Regierung die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs zu den Verbrechen dort anerkennen.

Türk (geboren 1965) ist seit 2022 Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Der UN-Diplomat sucht den Dialog mit politisch Verantwortlichen, um Menschenrechte zu stärken, kann Ermittlungen einleiten und Unrechtsregimes öffentlich anprangern. Türk war Strategiechef des UN-Generalsekretärs und bekleidete hohe Positionen im Flüchtlingshilfswerk UNHCR.

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