Rohstoff-Hunger und Bergbau: Ecuador steht zum Verkauf

Das südamerikanische Ecuador gehört zu den Ländern mit der größten Artenvielfalt. Doch der Bergbau bedroht die Lebensräume. Dem Widerstand der Bevölkerung setzt die Regierung Polizei und Militär entgegen. Auch im Interesse der Präsidentenfamilie.

Quito - „Genau das ist es, was wir verteidigen.“ Mit einer weiten Handbewegung zeigt Mariuxi Silva auf die sanft geschwungenen immergrünen Hügel vor dem Fenster ihres Hauses in der Gemeinde Las Pampas in Ecuador. Zwischen Bäumen und Büschen grasen Rinder, an Bananenstauden picken kleine leuchtend gelbe Vögel. „Während andere Teile Ecuadors in der Gewalt versinken, leben wir hier auf einer Insel des Friedens.“ Doch die sieht sie nun bedroht durch den weltweiten Rohstoff-Hunger.

Die Bewohner der Gegend in den Rockschößen der Anden südwestlich der Hauptstadt Quito leben von Rinderzucht, Milchwirtschaft und dem Anbau von Bio-Zuckerrohr. Silva produziert Joghurt und ist Mitglied einer kleinen Bio-Fairtrade-Kooperative, die Rohzucker exportiert, auch nach Deutschland. Wie die anderen fürchtet sie nun um ihre Existenz. „Kommt der Bergbau, ist damit wohl Schluss.“

Mehrere Konzessionen sind ohne die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung der Bevölkerung vergeben worden, darunter auch für eine Kupfer- und Goldmine der kanadischen Bergbaufirma Atico Mining. Als die Abstimmung der Bevölkerung nach monatelangem Widerstand doch stattfinden sollte, konnten Bewohnerinnen und Bewohnern von Las Pampas nicht teilnehmen, wie Maria Sánchez (Name geändert) erzählt: „Vermummte und bewaffnete Polizisten hinderten uns am Durchkommen. Auf den Hügeln waren Soldaten mit Maschinenpistolen positioniert.“ Stattdessen seien bezahlte Leute aus anderen Landesteilen hergebracht worden, um die Abstimmung zugunsten der Bergbaufirma zu drehen.

Die Menschen in Las Pampas sind überzeugt davon, dass dies auf Anweisung der zuständigen Ministerien und Atico Minings geschah. Die Bevölkerung protestierte zwei Wochen lang. „Es ging zu wie im Krieg“, erinnert sich Martha Masapanta. Tränengas und Gummigeschosse seien auf sie abgefeuert worden. Ihr Halbbruder ist einer von mehreren Schwerverletzten. 71 Einwohnerinnen und Einwohner wurden des Terrorismus angeklagt, darunter auch Sánchez und Masapanta. „Wir sind Bauern, keine Terroristen“, empört Masapanta sich. „Sie klagen uns an, weil wir uns gegen den Bergbau stellen.“

Eine Gruppe von UN-Menschenrechtsexpertinnen und -experten rief Ecuador nach mehreren solcher Vorfälle zur Einhaltung von Standards bei den Umweltkonsultationen auf. Es sei versäumt worden, alle Betroffenen anzuhören und ihnen vollständige und objektive Informationen über die möglichen Folgen der Projekte zu geben. Das habe soziale Konflikte geschürt, kritisierten die Berater der Vereinten Nationen.

Atico Mining bestreitet derweil die Vorwürfe und verteidigt das Vorgehen der Sicherheitskräfte: Der Vandalismus der Protestierenden habe diejenigen, die friedlich ihr Recht auf Konsultation ausgeübt hätten, in Gefahr gebracht, erklärte der Konzern.

Problematisch sind auch die politischen Verflechtungen: Die Familie von Ecuadors Präsident Daniel Noboa zählt zu den reichsten des Landes und investiert auch in den Bergbau. Die Regierung unterzeichnete unter anderem Abkommen mit dem kanadischen Konzern Adventus-Mining. In ihm ist die Nobis-Group, die der Tante des Präsidenten, Isabel Noboa, gehört, laut der kanadischen Börsenauskunft Sedar „strategischer Anteilseigner“. Sie hat auch Noboas Wahlkampf mitfinanziert.

Die kleine Gemeinde Las Pampas ist zum Symbol für den Widerstand geworden, doch ein Einzelfall ist sie nicht. Basierend auf Zahlen von 2021 sind laut der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Amazon Frontlines bereits neun Prozent der Fläche Ecuadors für den Bergbau freigegeben. Rund die Hälfte dieser Konzessionen beträfen Waldgebiete, vor allem den Amazonas-Regenwald, etwa 40 Prozent seien für landwirtschaftlich genutzte Flächen erteilt worden, fünf Prozent für Feuchtgebiete. Amazon Frontlines sieht verheerende Folgen für das Leben indigener und bäuerlicher Gemeinschaften und unwiederbringliche Schäden an der Natur und der besonderen Artenvielfalt in Ecuador.

Nicht zuletzt trägt auch die steigende Nachfrage Europas dazu bei. Laut der Organisation „Power Shift“ konsumiert die EU 25 bis 30 Prozent der weltweiten Rohstoffe, während sie nur acht Prozent der Weltbevölkerung stellt. Auch die Energiewende trägt zum Rohstoffbedarf bei.

Wie auch andere Länder will Ecuador davon profitieren. „Die Durchsetzung privater Interessen transnationaler Konzerne mit staatlichen Mitteln ist dabei weltweit eine gängige Praxis“, analysiert der Klimawissenschaftler und Bergbau-Experte William Sacher. Dazu setzten die rohstoffreichen Länder nicht nur die staatlichen Sicherheitskräfte ein, sondern passten auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen an und stellten billige Energie und Wasser zur Verfügung. Vertreibungen, Umsiedelungen, die Zerstörung der Lebensweise und der Einkommensquellen der Bevölkerung seien keine Ausnahme.

In Las Palmas verweigerte ein lokales Gericht den Menschen kürzlich einen Schutzstatus: Ihre Rechte würden durch das Bergbauprojekt nicht gefährdet, hieß es. 

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