Streit um Asylpolitik: Merz macht Druck auf Scholz

Berlin - Nach dem islamistischen Messeranschlag in Solingen verschärft die CDU weiter den Ton im Drängen nach einer strikten Begrenzung der Fluchtzuwanderung. „Die Priorität liegt nicht in der Rückführung, die Priorität liegt im Stopp des Zustroms“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstag nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Der Kanzler wies die Merz-Forderungen zurück.

Im Gespräch mit dem „heute journal“ des ZDF in Jena verwies Scholz auf internationale Verpflichtungen und die Bestimmungen des Grundgesetzes. „Das Individualrecht auf Asyl bleibt erhalten“, betonte er. Zugleich sagte Scholz, es gehe darum, die irreguläre Migration zu reduzieren. „Da sind Erfolge, aber sie reichen nicht“, räumte er in dem vorab in der ZDF-Mediathek abrufbarem Gespräch ein. So sei Deutschland bei den Abschiebezahlen besser geworden, „aber noch lange nicht gut“. Hierzu brauche es eine enge Kooperation zwischen Bundesregierung und Bundesländern wie auch zwischen Regierung und Opposition.

Asylrecht ist Individualrecht

Zudem arbeite die Bundesregierung daran, Abschiebungen Schwerstkrimineller nach Afghanistan und Syrien zu ermöglichen. „Schwere Straftäter haben ihr Schutzrecht hier verwirkt“, sagte Scholz. Merz hatte Scholz zu einer Zusammenarbeit bei gesetzlichen Änderungen aufgerufen. „Es gibt kein Tabu. Wir können über alle Regeln reden“, sagte der CDU-Chef vor Journalisten in Berlin. Der Kanzler sagte im ZDF: „Zunächst einmal ist es eine gute Sache, wenn die Opposition bereit ist, in so einer wichtigen Sache mit der Regierung zusammenzuarbeiten.“ Das habe er aus dem Gespräch mitgenommen.

Am Freitagabend hatte ein Syrer beim „Fest der Vielfalt“ zum 650. Solinger Stadtjubiläum Festbesucher mit einem Messer attackiert. Der mutmaßliche Attentäter Issa Al H. sitzt in Untersuchungshaft. Dem 26-Jährigen wird unter anderem die Mitgliedschaft in der islamistischen Terrororganisation IS vorgeworfen. Er hatte sich einer Überstellung nach Bulgarien entzogen.

Merz forderte konkrete Änderungen am Aufenthaltsgesetz, am Asylbewerberleistungsgesetz und schloss auch eine Änderung des Grundgesetzes nicht aus. In Bezug auf völkerrechtliche Verpflichtungen wie die Genfer Flüchtlingskonvention und die EU-Menschenrechtskonvention, die Zurückweisungen Schutzsuchender an der Grenze verbieten, sagte er, man müsse fragen, ob man all diese Regeln aufrechterhalten könne, obwohl man wisse, dass sie Probleme verursachten.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kritisierte im „Morgenmagazin“ der ARD, dass bei Zehntausenden Dublin-Fällen, in denen ein anderer europäischer Staat für das Asylverfahren zuständig ist, die Abschiebung scheitere. Der Staat müsse konsequenter durchgreifen, sagte er. Von fast 75.000 gestellten Übernahmeersuchen aus Deutschland wurden im vergangenen Jahr laut Bundesinnenministerium rund 22.500 abgelehnt, knapp 56.000 bewilligt. Nur rund 5.000 Überstellungen fanden tatsächlich statt.

Andere dringen derweil auf mehr Anstrengungen im Kampf gegen Islamismus. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD) verlangte ein „starkes Präventions- und Frühwarnsystem“. Dazu gehörten mehr Aufklärung, mehr Beratung sowie „mehr Systeme, die früh erkennen, wenn jemand radikalisiert wird“. Einen besonderen Blick forderte sie dabei auf Messenger-Dienste und soziale Medien.

Bessere psychosoziale Betreuung

Der Osnabrücker Islamwissenschaftler Michael Kiefer sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), bei den Forderungen etwa nach schnelleren Abschiebungen und einer Schließung der Grenzen stehe offensichtlich der Wahlkampf im Vordergrund und nicht das Ziel, solche Taten zu verhindern. „Das könnte sogar gefährlich werden, wenn darüber versäumt wird, tatsächlich notwendige Maßnahmen zu ergreifen.“

Kiefer sprach sich für eine bessere psychosoziale Betreuung in Flüchtlingsunterkünften aus, um Radikalisierung vorzubeugen. Zusätzlich sollten die Bewohner dafür sensibilisiert werden, problematische Entwicklungen den Behörden zu melden, forderte er. Dem mutmaßlichen Attentäter von Solingen, Issa Al H., wird die Mitgliedschaft in der islamistischen Terrororganisation IS vorgeworfen.

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