Proteste in Kenia: Wut auf die Gläubiger - und die eigenen Politiker

Seit Wochen protestieren junge Leute in Kenia gegen die Korruption und schlechte Regierungsführung in dem afrikanischen Land. Doch auch die Wut auf internationale Gläubiger treibt sie auf die Straße.

Nairobi - Seit Wochen gehen in Kenia junge Menschen auf die Straße. Sie wollen, dass die Regierung ihren Job macht und ordentlich mit ihren Steuergeldern umgeht. Doch die Wut richtet sich auch gegen Institutionen wie den Internationalen Währungsfonds (IWF) und andere internationale Gläubiger.

Ein beträchtlicher Teil der Steuern fließt in Kenia Monat für Monat in die Abzahlung von Krediten. Ein Viertel der Staatseinnahmen geht nach Angaben der Initiative Erlassjahr, die sich für Entschuldungen einsetzt, jährlich an ausländische Kreditgeber, dazu kommen Kredite bei Banken und Institutionen in Kenia.

Seit Jahren steigt Kenias Verschuldung. Besonders die Regierung unter dem früheren Präsidenten Uhuru Kenyatta (2013 - 2022) hat regelmäßig Kredite im Ausland aufgenommen, zum Beispiel bei der chinesischen Regierung, dem IWF und Institutionen wie der afrikanischen Entwicklungsbank. Insgesamt hat Kenia Schätzungen zufolge mehr als 80 Milliarden US-Dollar Schulden bei Kreditgebern im In- und Ausland.

Kenias aktuelle Schulden beim IWF belaufen sich auf etwa 3,4 Milliarden US-Dollar, bis zu 3,9 Milliarden kann Kenia bis April 2025 insgesamt leihen. Den Großteil der Kredite nimmt Kenia zu einem „marktnahen Zinssatz“ von etwa vier Prozent auf, den auch Deutschland aktuell auf dem privaten Markt bezahlen würde. Doch zusätzlich zahlt das ostafrikanische Land Aufschläge von weiteren zwei bis drei Prozent, weil die Schuldensumme besonders hoch ist.

Institutionen wie der IWF können verfügen, dass sich Gläubiger mit an den Kosten beteiligen - im Fall von Kenia wurde entschieden, dass die Regierung genug Geld aufbringen kann. Doch es droht eine Schuldenspirale: Um bestehende Raten zahlen zu können, muss die Regierung neue Kredite aufnehmen.

Mit den hohen Schulden steht das ostafrikanische Land nicht allein da. Laut dem Schuldenreport der Initiative Erlassjahr haben 130 Staaten im Globalen Süden mindestens eine leicht kritische Schuldenlast. In 45 Staaten fließen demnach mehr als 15 Prozent der Staatseinnahmen in den ausländischen Schuldendienst, zum Beispiel in Gambia oder im Senegal.

Die politische Referentin von Erlassjahr, Malina Stutz, erklärt, dass Kenia allein in diesem Jahr bisher mehr als 43 Millionen US-Dollar Zinsen und Gebühren an den IWF gezahlt hat. Die Rückzahlungsraten für die Kredite sind da noch nicht mit eingerechnet.

In der Regel sind Kredite des Internationalen Währungsfonds an die Umsetzung von Reformen gebunden, mit denen der Staatshaushalt saniert und die wirtschaftliche Lage verbessert werden soll. Diese sind jedoch häufig umstritten. In Kenia hat die Regierung auch auf Drängen des IWF Subventionen gestrichen, Steuern und die Preise für staatliche Dienstleistungen wie Pässe erhöht.

Die Protestierenden fordern, dass sich die Regierung solchen Auflagen nicht unterwirft, wenn sie dem Land schaden. Kritik kommt auch von der unabhängigen UN-Expertin für Auslandsverschuldung, Attiya Waris. Den reichen Ländern scheine wichtiger zu sein, dass sie ihr Geld zurückbekämen, als den Menschen in armen Ländern ein Leben in Würde zu gewähren, sagte Waris dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die kenianische Rechtsprofessorin hält Entschuldungen für wichtig. Dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg große Teile der Schulden erlassen wurden, habe die Basis für das Wirtschaftswachstum gelegt, sagt sie.

Allerdings geht es bei den Protesten in Kenia auch um die Verschwendung von Steuergeldern. Die Kenianerinnen und Kenianer beobachteten, wie Politiker Geld in die eigene Tasche wirtschaften oder für Luxus und Protz ausgeben, sagt Gerald Okoth, Sprecher von Transparency International Kenia. „Das macht die Leute wütend.“

Im Mai kam etwa heraus, dass Beamte aus dem Landwirtschaftsministerium und untergeordneten Behörden gespendeten Dünger privat abgezweigt und armen Bauern 20.000 Säcke mit Erde als subventionierten Dünger verkauft haben. Mehrere Gouverneure stehen wegen Korruption vor Gericht. Ein neues Gesetz soll es Abgeordneten erlauben, mit ihren Firmen Aufträge für die Regierung auszuführen.

Die Proteste sind nach Okoths Worten eine Botschaft an die Politiker, dass die Macht am Ende beim Volk liegt. Leute informierten und bildeten sich - und gäben sich nicht mehr damit zufrieden, dass das System eben korrupt ist.

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