Berlin/Caracas - Venezuela steht nach der Präsidentenwahl vor einer politischen Zerreißprobe. Sowohl die Regierung als auch die Opposition reklamierten den Sieg für sich. Die Nationale Wahlbehörde erklärte in der Nacht auf Montag (Ortszeit) den autokratischen Machthaber Nicolás Maduro zum Wahlsieger. Demnach soll Maduro 51,2 Prozent der Stimmen, der gemeinsame Oppositionskandidat Edmundo González 44,2 Prozent der Stimmen erhalten haben. Das Ergebnis sei „unumkehrbar“, sagte Behördenchef Elvis Amoroso nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen.
Die Opposition kam bei der Wahl am Sonntag nach eigenen Angaben auf 70 Prozent der Stimmen. „Wir haben gewonnen und jeder weiß es“, sagte die Oppositionsführerin María Corina Machado. „Der neu gewählte Präsident heißt Edmundo González.“ Die Opposition stützt sich dabei auf eine Auswertung der Stimmergebnisse durch eigene Beobachter.
Die Wahlbehörde veröffentlichte auf ihrer Webseite keine Ergebnisse der rund 30.000 Wahllokale im ganzen Land. Laut Opposition wurde die Übertragung der Wahlergebnisse und der Auszählungsprozess in zahlreichen Wahllokalen unterbrochen. Den Wahlbeobachtern der Opposition sei zudem der Zugang zu den Unterlagen der Wahlbehörde verweigert worden.
Im Umfeld der Wahllokale kam es in einigen Städten zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Regierung und der Opposition. Die Opposition berichtete auch von zahlreichen Unregelmäßigkeiten und Einschüchterungsersuchen während des Urnengangs.
Die Abstimmung am Sonntag war von einer politisch angespannten Atmosphäre überschattet. Die Opposition prangerte unmittelbar vor der Wahl „eine brutale Welle der Repression“ an. 51 von ihnen eingeladene internationale Wahlbeobachter seien entweder an der Einreise gehindert oder vorübergehend festgenommen worden. Darunter waren die Ex-Präsidenten von Kolumbien, Mexiko, Panama und Bolivien. Eine umfangreiche Wahlbeobachtermission der EU wurde von Maduro kurzfristig wieder ausgeladen.
Die Bundesregierung äußerte sich am Montag besorgt. Die Auszählung der Stimmen müsse transparent erfolgen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Das Wahlergebnis müsse - auch durch die Opposition - detailliert ausgewertet werden können, um festzustellen, wer der Gewinner sei. Die Bundesregierung rufe zudem zum Verzicht auf Gewalt auf, sagte der Sprecher angesichts gewaltsamer Auseinandersetzungen im Umfeld von Wahllokalen.
Auch in der internationalen Gemeinschaft ist die Sorge vor Wahlfälschungen hoch. Zahlreiche lateinamerikanische Staatschefs, darunter Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, hatten einen transparenten Wahlprozess angemahnt und Maduro aufgefordert, die Ergebnisse zu respektieren. Maduro selbst hatte vor einem „Blutbad“ gewarnt, sollte er verlieren. In allen Umfragen vor der Wahl hatte die Opposition geführt.
Venezuela steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Während der Amtszeit des 61-jährigen Maduro, der seit 2013 regiert, ist die Wirtschaft in dem erdölreichen Land um rund 80 Prozent geschrumpft. Nach offiziellen Angaben verließen rund acht Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner und damit ein Viertel der Bevölkerung wegen der schlechten ökonomischen und humanitären Lage ihr Heimatland.
Von den im Ausland lebenden Venezolanern konnten sich laut offiziellen Angaben nur rund 69.000 für die Wahl registrieren. Mehr als 21 Millionen Menschen waren aufgerufen, über ein neues Staatsoberhaupt abzustimmen. Die Wahlbeteiligung lag laut offiziellen Angaben bei 59 Prozent.