Frankfurt a.M./Kigali - Die Zahlen lassen keinen Zweifel zu: Mit voraussichtlich mehr als 99 Prozent der Stimmen steht Ruandas Staatschef Paul Kagame nach der Wahl vom Montag vor einer weiteren Amtszeit. Der 66-jährige Politiker, dessen Werdegang aufs engste mit der jüngeren Geschichte des ostafrikanischen Landes verwoben ist, regiert bereits seit 24 Jahren mit harter Hand.
Wirklich überrascht war wohl kaum jemand, als die Nationale Wahlkommission das vorläufige Ergebnis am Montagabend veröffentlichte. Rund 79 Prozent der Stimmen waren da ausgezählt. Seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2000 kratze Kagame bei jeder Wahl mit Zustimmungsraten von mehr als 90 Prozent stets am maximal Möglichen. Bedenken und Berichte über Wahlfälschungen oder Unregelmäßigkeiten wischt er routiniert beiseite: Politische Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung hätten Priorität, lautet die Argumentation für seine Dauerherrschaft.
Tatsächlich gilt Kagame, der sich öffentlich gerne als Familienmensch inszeniert, seinen Anhängerinnen und Anhängern als Garant für Sicherheit und Fortschritt. Die jüngere Geschichte Ruandas ist eng mit ihm verwoben: 1994 spielte der in Tambwe geborene Politiker eine Schlüsselrolle bei der Beendigung des Völkermords an der Volksgruppe der Tutsi, bei dem mehr als 800.000 Menschen getötet wurden. Als Rebellenführer hatte der damals 37-Jährige im Exil in Uganda eine Truppe aufgebaut, die Ruandische Patriotische Front (RPF), mit der er die für den Genozid verantwortlichen Hutu-Milizen unter Kontrolle brachte. Bevor er 2000 Staatschef wurde, war Kagame bereits Verteidigungsminister und Vizepräsident.
Seine Fähigkeit, das Land aus der Krise zu führen, hat ihm auch im Ausland den Ruf einer starken Führungspersönlichkeit eingebracht: loyal, unbestechlich, arbeitsam. Tatsächlich ist Ruandas Entwicklung in wirtschaftlicher Hinsicht beeindruckend. Unter Kagames Führung wurde das vom Bürgerkrieg zerstörte Land zu einem begehrten Standort für Investoren und Unternehmen. Die Regierung brachte Reformen auf den Weg, die etwa Unternehmensgründungen vereinfachten, und investierte in die Infrastruktur. Auch der Mainzer mRNA-Pionier Biontech hat Ruanda als Standort für die Errichtung einer Produktionsstätte für Impfstoffe gewählt.
Die Erfolgserzählungen können jedoch nicht über die schwierige Menschenrechtsbilanz Kagames hinwegtäuschen. Die Presse steht unter strenger Kontrolle der Regierung. Unabhängige Medienschaffende leben in Gefahr. Allein in den vergangenen vier Jahren starben oder verschwanden laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ vier Journalisten unter mysteriösen Umständen. Zur Wahl am Montag waren lediglich zwei weitere Kandidaten zugelassen. Zusammengerechnet kamen der Oppositionspolitiker Frank Habineza und der unabhängige Kandidat Philippe Mpayimana laut dem Teilergebnis auf weniger als ein Prozent der Stimmen.
Im Ausland ist Kagame bemüht, ein freundliches Bild seiner Heimat zu zeichnen, zum Beispiel mithilfe des Sports. Seine Leidenschaft für den Londoner Fußballklub FC Arsenal mündete in einer offiziellen Partnerschaft. Seit 2018 prangt das Logo „Visit Rwanda“ auf dem Ärmel der rot-weißen Arsenal-Trikots - ein Schachzug, um mehr Touristen und Investoren ins Land zu holen.
In Ruanda wird in den kommenden fünf Jahren wohl weiter das Weiß-Blau der Kagame-Partei RPF dominieren. Die vorläufigen Zahlen zeigten das Vertrauen, erklärte Kagame laut Medienberichten. „Und das ist das Wichtigste.“