UNHCR: 120 Millionen Menschen auf der Flucht

Die Zahl der Geflüchteten ist laut den UN zum zwölften Mal in Folge gestiegen. Hilfswerke fordern Friedensbemühungen und ein Ende der Debatten um Hilfskürzungen.

Genf - Rund 120 Millionen Menschen sind nach einer Schätzung des UN-Flüchtlingshilfswerks auf der Flucht vor Gewalt, Unterdrückung und Krieg. Damit habe die Zahl der geflüchteten Menschen einen historischen Höchststand erreicht, erklärte das UNHCR am Donnerstag in Genf. Hilfswerke sprachen von einem alarmierenden Signal und kritisierten die geplanten Kürzungen der humanitären Hilfe durch die Bundesregierung. Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) warnte vor einem Sparkurs bei der Entwicklungshilfe.

Laut dem UNHCR-Jahresbericht „Global Trends“ stieg die Zahl der Menschen auf der Flucht zum zwölften Mal in Folge. „Hinter diesen nackten und steigenden Zahlen verbergen sich unzählige menschliche Tragödien“, sagte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi.

Das UNHCR dokumentierte Ende des vergangenen Jahres 31,6 Millionen Flüchtlinge unter seinem Mandat. Dabei handelt es sich um Menschen, die vor Krieg oder Verfolgung aus ihrem Heimatland fliehen mussten. Mehr als 60 Millionen Menschen suchten demnach Ende 2023 innerhalb ihrer Heimatländer als Binnenflüchtlinge Schutz. Zudem erfasst das UN-Hilfswerk Palästina-Flüchtlinge, Asylbewerber, Staatenlose und weitere Gruppen.

Syrien ist demnach weiter Ort der größten Vertreibungskrise der Welt, mit 13,8 Millionen Menschen innerhalb und außerhalb des Landes auf der Flucht. Entscheidend bei der Zunahme der globalen Geflüchtetenzahlen ist zudem der seit April 2023 anhaltende Konflikt im Sudan, wo Ende des vergangenen Jahres 10,8 Millionen Menschen geflohen waren. Der Bericht wurde mit Blick auf den Weltflüchtlingstag am 20. Juni veröffentlicht.

Ministerin Schulze erklärte, angesichts des neuen Höchststandes werde mehr und nicht weniger Entwicklungszusammenarbeit gebraucht. Ausgerechnet die ärmsten Länder zeigten die größte Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge. Deutschland unterstütze sie beispielsweise bei der Bereitstellung von sauberem Wasser, ausreichend Nahrung, medizinischer Versorgung und Bildung. Zudem schaffe die Entwicklungshilfe Perspektiven vor Ort. Das sei auch in deutschem Interesse. Die Bundesregierung verhandelt derzeit über den Haushalt für das kommende Jahr. Dem Entwicklungsministerium drohen dabei deutliche Einschnitte.

Auch der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge, kritisierte dies. Die Kürzungsdebatte gehe an der Realität vorbei und sende ein völlig falsches Signal: „Die Überlebenshilfe für Menschen in akuter Not darf nicht dem Rotstift zum Opfer fallen.“ Zudem müsse intensiv an der Lösung gewaltsamer Konflikte gesucht werden, der Hauptursache für Vertreibung.

Dazu rief auch die Geschäftsführerin des International Rescue Committee (IRC) Deutschland, Corina Pfitzner, auf. Mehr denn je bedürfe es diplomatischer und finanzieller Anstrengungen in Krisenregionen.

Der deutsche UNHCR-Sprecher Chris Melzer kritisierte die Debatte über Geflüchtete. Obwohl nur ein geringer Anteil nach Europa komme, werde ein Problem aufgebauscht, „in der Hoffnung, Wählerstimmen zu bekommen“, sagte er dem Radiosender WDR5. Zwar falle es einigen Kommunen in Deutschland schwer, Menschen unterzubringen, doch eigentlich klappe es immer noch recht gut.

Die Zahl ukrainischer Flüchtlinge stieg laut dem Bericht um 275.500 und erreichte Ende des Jahres die sechs Millionen. Schätzungsweise war ein Sechstel der ukrainischen Vorkriegsbevölkerung ins Ausland geflohen. Die Zahl der Binnenvertriebenen ging zugleich auf 3,7 Millionen zurück. Als weiteren Brennpunkt nennt das UNHCR den Gaza-Streifen, wo demnach bis zu 1,7 Millionen Menschen oder drei Viertel der Bevölkerung teils mehrfach vor der Gewalt geflohen sind. Auch in der Demokratischen Republik Kongo und in Myanmar hätten im vergangenen Jahr Millionen Menschen durch Kämpfe und Gewalt ihr Zuhause verloren.

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