Brüssel/Berlin - Die Europäische Union hat Israel mit Nachdruck aufgefordert, seine Militäroperation in Rafah zu beenden. Die Offensive behinderte die Verteilung der humanitären Hilfe im Gazastreifen weiter und führe zu weiteren Binnenvertreibungen, Hungersnot und menschlichem Leid, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch in Brüssel.
Die EU rufe Israel auf, „die ohnehin schon katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen nicht weiter zu verschärfen“. Mehr als eine Million Zivilisten hätten in und um Rafah Zuflucht gesucht, betonte Borrell. Sie seien zur Evakuierung in Zonen aufgefordert worden, die laut den Vereinten Nationen nicht als sicher angesehen werden könnten.
Die EU erkenne das Recht Israels an, sich zu verteidigen, doch müsse Israel dies im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht tun und für die Sicherheit der Zivilbevölkerung sorgen, erklärte Borrell. Sollte Israel seine Militäroperation in Rafah fortsetzen, würde dies unweigerlich die Beziehungen der EU zu dem Land stark belasten. „Wir rufen alle Parteien auf, ihre Anstrengungen zu verdoppeln, um einen sofortigen Waffenstillstand und die bedingungslose Freilassung aller von der Hamas festgehaltenen Geiseln zu erreichen“, forderte Borrell.
Auch die Diakonie Katastrophenhilfe und Caritas International fordern stärkere internationale Bemühen für einen Waffenstillstand im Gazastreifen. „Seit sieben Monaten flieht die Zivilbevölkerung in Gaza vor einem Krieg, dem sie nicht entkommen kann“, sagte der Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe Martin Keßler in Berlin. Mit dem Vorrücken der israelischen Armee auf Rafah seien in den vergangenen Tagen mehr als 400.000 Menschen erneut geflohen. Hinzu komme, dass Kämpfe auch in anderen Teilen von Gaza wieder aufgeflammt seien. Es zeichne sich kein militärisches Ende des Krieges ab, sondern „ein humanitärer Schrecken ohne Ende“, sagte Keßler. Er forderte eine Verhandlungslösung, um die Menschen zu schützen und zu versorgen und eine Freilassung der Geiseln zu erwirken.
Trotz eindringlicher Warnungen vor einer Hungernot sei bis heute nicht genug getan worden, um den Hunger zu stoppen, mahnte der Leiter von Caritas International, Oliver Müller, in Freiburg. Über die Grenzübergänge Kerem Shalom und Rafah gelangten seit Tagen kaum noch Güter in den Gazastreifen. Müller fordert zudem mehr Schutz für humanitäre Helferinnen und Helfer. Mehr als 250 von ihnen seien seit Oktober vergangenen Jahres bereits im Gazastreifen gestorben, unter ihnen auch Mitarbeitende der lokalen Caritas-Partner.