Berlin, Port-au-Prince - Die eskalierende Bandengewalt in Haiti hat laut „Ärzte ohne Grenzen“ die Zahl von Verwundeten drastisch ansteigen lassen. „Wir arbeiten an der Grenze unserer Kapazität“, erklärte die Organisation am Mittwoch in Port-au-Prince. Mit einer Ausweitung der medizinischen Hilfe in Port-au-Prince reagiere „Ärzte ohne Grenzen“ auf den Anstieg. Unter den Verletzten seien viele Frauen, Kinder und ältere Menschen. Tausende Menschen seien in den vergangenen Tagen aus ihren Häusern geflohen.
In vielen Teilen von Port-au-Prince komme es zu gewaltsamen Ausschreitungen, die den Höhepunkt einer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise darstellten, die Haiti seit der Ermordung des damaligen Präsidenten Jovenel Moïse 2021 erschüttere. Die Spannungen hätten die medizinischen Helfer auch dazu gezwungen, ihre mobilen Kliniken an mehreren Standorten vorübergehend auszusetzen. Zudem sei der Zugang zu Nachschub an medizinischen Hilfsgütern schwer, sagte Landeskoordinator Mumuza Muhindo Musubaho. „Wir befürchten, dass uns die Medikamente und medizinischen Hilfsgüter ausgehen, die wir für den enormen Bedarf im Moment unbedingt brauchen.“
Angesichts der anschwellenden Gewalt und der massiven Verschlechterung der Sicherheitslage hatte Haiti Anfang der Woche einen dreitägigen Notstand mit nächtlicher Ausgangssperre ausgerufen. Vorausgegangen war am Wochenende die Erstürmung der beiden größten Gefängnisse des Landes durch kriminelle Banden und die Befreiung Tausender Gefangener.
Interimsministerpräsident Ariel Henry war am Wochenende zu Gesprächen in Kenia, um die Entsendung einer internationalen Polizeieinheit zur Eindämmung der Gewalt in Haiti voranzutreiben. Im vergangenen Jahr meldete Haiti 8.400 Morde, Verletzungen und Entführungen in Zusammenhang mit Bandengewalt, 122 Prozent mehr als 2022. Einer der einflussreichsten Bandenchefs drohte am Dienstag nach Berichten des Senders BBC mit „Bürgerkrieg“, sollte Henry nicht zurücktreten.