Berlin - Amnesty International wirft den Streitkräften in Myanmar einen tödlichen Luftangriff auf ein Dorf nahe der Grenze zu Indien vor. Dabei seien am 7. Januar 17 Menschen, allesamt Zivilisten, getötet worden, erklärte die Menschenrechtsorganisation am Donnerstag. Unter den Opfern seien neun Kinder. Mehr als 20 weitere Menschen seien verletzt worden. Mehrere Häuser seien bei den Angriffen während eines Gottesdienstes zerstört, eine Schule und eine Kirche schwer beschädigt worden.
Das Militär bestreite eine Verantwortung für den Luftangriff und habe betont, am Morgen des betreffenden Tages keine Flugzeuge in dem Gebiet gehabt zu haben, erklärte Amnesty. Eine Videoauswertung habe jedoch die charakteristische Silhouette eines Kampfjets gezeigt, über den in Myanmar nur die Streitkräfte verfügten.
„Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das Militär in Myanmar plant, seine tödlichen Angriffe auf die Zivilbevölkerung einzustellen“, sagte Matt Wells, Experte für Krisenreaktion bei Amnesty. Die Welt dürfe nicht länger wegschauen. „Die Staatengemeinschaft und Unternehmen weltweit müssen die Lieferung von Flugzeugtreibstoff an die Armee einstellen, um die Zivilbevölkerung vor einer weiteren Katastrophe zu schützen.“ Die Luftangriffe müssten zudem als Kriegsverbrechen untersucht werden.
Zeugen hätten ausgesagt, sie hätten gehört, dass später am Tag eine Veranstaltung in der Dorfschule stattfinden sollte, die Mitglieder einer lokalen Widerstandsgruppe organisiert hatten. Zum Zeitpunkt der Angriffe seien jedoch keine Kämpfer und Kämpferinnen vor Ort gewesen, erklärte Amnesty. „Alle Getöteten und Verletzten waren Zivilpersonen.“ Die Schäden und Angst vor weiteren Angriffen hätten die meisten Dorfbewohner zur Flucht gezwungen.
Das Militär in Myanmar hatte sich im Februar 2021 an die Macht geputscht. Die gewählte Regierung von Aung San Suu Kyi wurde abgesetzt, die Friedensnobelpreisträgerin festgenommen und unter anderem wegen Korruption zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Seitdem verübte das Regime laut Menschenrechtlern und UN-Ermittlern zahlreiche schwere Verbrechen: Bei Angriffen der Streitkräfte auf Oppositionelle oder mutmaßliche Gegner seien Tausende Menschen getötet worden und etwa zwei Millionen vertrieben worden. Amnesty dokumentierte unter anderem auch einen Luftangriff auf ein Lager für Binnenvertriebene im Herbst vergangenen Jahres.