Nairobi/Windhoek - Der namibische Präsident Hage Gottfried Geingob ist am Sonntag gestorben. Wie sein Büro mitteilte, erlag der 82-Jährige in den frühen Morgenstunden in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Windhoek einer Krebserkrankung. Seit der Unabhängigkeit Namibias 1990 von Südafrika war er zuerst Premierminister, dann Handels- und Industrieminister und seit 2015 Präsident des Landes im Südwesten Afrikas. Auch im Kampf für die Unabhängigkeit und gegen das südafrikanische Apartheidregime war Geingob prägend. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte, Namibia verliere einen großen Staatsmann.
Der namibische Vizepräsident Nangolo Mbumba übernimmt nach Geingobs Tod die Amtsgeschäfte kommissarisch. Für Ende des Jahres sind in Namibia Parlaments- und Präsidentschaftswahlen geplant.
Geingob spielte eine zentrale Rolle bei der Aufarbeitung der deutschen Verbrechen während der Kolonialzeit (1884-1919). Zuletzt hatte er sich kritisch dazu geäußert, wie Deutschland sich zum Gaza-Krieg positioniert. Bundespräsident Steinmeier erklärte, die Zusammenarbeit mit Geingob sei für Deutschland von großer Bedeutung gewesen. „Trotz der schweren Belastung unserer Geschichte hat Hage Geingob den Weg der Aussöhnung mit Deutschland beschritten und zugleich die Zusammenarbeit mit Deutschland in vielen bedeutenden Zukunftsthemen gesucht.“
Geingob engagierte sich bereits mit Anfang 20 bei der damals gerade gegründeten Unabhängigkeitsbewegung Swapo (South West Africa People's Organisation), zunächst aus dem Exil in Botsuana, später aus den USA. 1989 kehrte er in seine Heimat zurück, um das Land auf die Unabhängigkeit von Südafrika vorzubereiten, unter dessen Verwaltung Namibia ab 1920 war. Nach der Unabhängigkeit wurde die Swapo zur politischen Partei, die Namibia bis heute regiert. Seit 2017 war Geingob ihr Vorsitzender.
Vizepräsident Mbumba bat die Bevölkerung, Ruhe zu bewahren und erinnerte an Geingob als "herausragenden Diener des Volkes, eine Ikone des Befreiungskampfes, den Hauptarchitekten unserer Verfassung und die Säule des namibischen Hauses”. Afrikanische Länder kondolierten Namibia, darunter Südafrika, Tansania und Kenia. Auch weltweit reagierten Regierungen auf Geingobs Tod.
Namibia hat dank Fischerei, Viehhaltung, Rohstoffen - darunter Uran - sowie Tourismus ein im afrikanischen Vergleich recht hohes Pro-Kopf-Einkommen von knapp als 10.000 US-Dollar im Jahr. Allerdings lebt gut ein Drittel der Bevölkerung in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika unterhalb der Armutsgrenze. Die Schere zwischen Arm und Reich ist in Namibia so groß wie in wenigen anderen Ländern auf der Welt.
Zwischen 1904 und 1908 hatte das Deutsche Kaiserreich in seiner damaligen Kolonie einen Völkermord begangen, der 80 Prozent der Herero und 50 Prozent der Nama auslöschte. Mehr als 80.000 Menschen wurden getötet oder verdursteten in der Wüste. 2015 nahmen Deutschland und Namibia Verhandlungen über Zahlungen und eine Entschuldigung für die Verbrechen auf. 2021 erkannte die Bundesregierung die Gräueltaten als Völkermord an. Zugleich sagte Deutschland ein Programm zur Unterstützung der Nachfahren der Herero und Nama in Höhe von 1,1 Milliarden Euro unterstützen. Rechtliche Ansprüche auf Entschädigung sollen daraus aber nicht ableiten lassen.