Ecuador: Ausbeutung auf den Plantagen des Präsidentschafts-Kandidaten

Quito (epd). Während ein tropischer Regen niedergeht, säubern und verpacken sie im Akkord die Bananen auf der Farm Maria Eugenia in der Küstenregion Ecuadors. Plötzlich kracht ein in die Jahre gekommenes Dach auf die 28 Arbeiterinnen und Arbeiter der Plantage der Milliardärsfamilie Noboa. Sie flüchten zu allen Seiten. Fünf schaffen es nicht zwischen den Waschbecken heraus. „Wir konnten nicht weg, also warfen wir uns auf den Boden!“, erinnert sich Francisco zwei Jahre später. „Das Dach knallte zehn Zentimeter über meinem Kopf auf. Es ist ein Wunder, dass ich noch lebe!“

Francisco und seine Kollegen bringen den Mut auf, von den Zuständen auf der Plantage zu erzählen, obwohl der Noboa-Sohn Daniel überraschend Chancen hat, in der Stichwahl am 15. Oktober zum Präsidenten gewählt zu werden. Zu ihrem Schutz bleiben deshalb ihre Nachnamen unerwähnt. Im Schatten eines Baumes in einem Vorort der westlichen Stadt Quevedo berichten sie, dass das eingestürzte Dach lediglich durch eine Plastikplane ersetzt worden sei. „Wenn die Sonne schien, war die Hitze nicht auszuhalten. Wenn es stark regnete, wurden wir komplett durchnässt“, sagt Gilbert.

Nach sechs Monaten habe die gesamte Kolonne gemeinsam den Neubau des Daches gefordert, erzählt Ángel, der Vorarbeiter. Doch als sie in der folgenden Woche zur Arbeit erschienen, wurde ihnen der Zutritt untersagt. „Sie sagten, wir bräuchten nicht wiederzukommen. Wir seien bereits durch eine andere Kolonne ersetzt worden.“ Nach vier Jahren Schufterei auf der Plantage standen sie plötzlich auf der Straße. Vorarbeiter Ángel hatte als Subunternehmer gedient, über den die Beschäftigung ausgelagert worden war.

Nach Quoten bezahlt kamen sie für eine 60-Stunden-Woche auf etwa 85 US-Dollar - nicht einmal der gesetzliche Mindestlohn, ohne Sozialversicherung, ohne bezahlte Urlaubs- oder Krankheitstage, ohne Kündigungsschutz. Der Noboa-Konzern war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Constantin Groll, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ecuador, sieht die informellen Arbeitsverhältnisse des Sektors als ein strukturelles Problem: „Der Bananensektor hat historisch gesehen immer einen großen Einfluss auf die Politik gehabt, und auch auf das Arbeitsministerium: Es gab sogar verschiedene Minister, die eigentlich Bananenunternehmer waren, oder dem Sektor nahestanden.“ Dies habe auch Einfluss auf die öffentliche Kontrolle, erklärt er.

Eine Gruppe von Arbeitern ist nun fest entschlossen, gerichtlich gegen die Farm vorzugehen, um eine Abfindung und den Lohn einzufordern, der ihnen nach dem Gesetz zugestanden hätte - ein mutiges Unterfangen in der prekären Sicherheitssituation Ecuadors, in der Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Gewerkschafter immer häufiger Morddrohungen erhalten. Sie wollen die Klage nach der Stichwahl einreichen.

Obwohl Daniel Noboa im Wahlkampf verspricht, die Sicherheitslage im Land zu verbessern, ist für die Arbeit der Gewerkschaften keine positive Veränderung zu erwarten - eher im Gegenteil. Die Chancen des 36-Jährigen stehen nicht schlecht, und er könnte den Traum seines Vaters Álvaro Noboa erfüllen. Der gab nach fünf gescheiterten Versuchen auf und schickte seinen Erstgeborenen ins Rennen.

Laut eigenen Angaben gehören der Familie mehr als 50 Bananen-Farmen mit 8.000 Hektar Land, deren Ernte unter dem Markennamen „Bonita“ (die Schöne) verkauft wird. Die Ausbeutung der Arbeiter scheint weitverbreitet. Victor erzählt, wie Sprühflugzeuge über sie hinweg flogen, selbst während der Mittagsmahlzeit. „Die Flüssigkeit ist heftig. Sie setzt sich auf die Haare und auf die Haut.“ Victor ist inzwischen arbeitsunfähig und muss wegen Nierenversagens zweimal pro Woche zur Dialyse. Als Ursache sieht er die Pestizide.

Auch Rosa, die auf der Noboa-Plantage Maria Teresa arbeitet, berichtet: „Ich dachte, es sei inzwischen gesetzlich verboten, zu sprühen, während wir Arbeiter auf der Plantage sind, aber hier wird das nicht respektiert“. Auch sie hat weder Vertrag noch Sozialleistungen und verdient weniger als den Mindestlohn, so wie ihrer Einschätzung nach die meisten Kolleginnen und Kollegen. Obwohl Rosa den ganzen Tag mit den gespritzten Bananen hantiert, erhält sie keine Schutzkleidung. Auch bezüglich der einstmals größten Noboa-Farm, Clementina, die 2013 wegen Steuerschulden beschlagnahmt wurde, kamen Informationen über miserable Arbeitsbedingungen ans Licht.

Dass die Unternehmer strengeren Kontrollen unterzogen werden, ist nicht zu erwarten, sollte Daniel Noboa die Wahl gewinnen. Im Wahlkampf setzt er auf die Themen Sicherheit und Beschäftigungsförderung und betont die Notwendigkeit von sozialen Investitionen und einer Zunahme sozialversicherungspflichtiger Jobs. Dass er diese Versprechen umsetzt, ist angesichts der Zustände auf den Noboa-Plantagen eher unwahrscheinlich.

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