Brasiliens Präsident Lula setzt auf China-Reise deutliche Akzente

Rund zehn Milliarden Euro Investitionen aus China hat Brasiliens Präsident auf seiner jüngsten Reise an Land gezogen. Die Staatsführung empfing Lula mit größten Ehren. Die Schwellenländer rücken zusammen.

Berlin/São Paulo - Die brasilianische Delegation brauchte mehrere Flugzeuge: Rund 200 Firmenchefs, 5 Gouverneure und zahlreiche Abgeordnete begleiteten Präsident Luiz Inácio Lula da Silva auf seiner Reise nach China. Bereits vor dem Start bezeichneten brasilianische Medien den dreitägigen Besuch in Peking und Schanghai als die wichtigste Reise seiner Amtszeit.

Die Bilanz der Reise, die am Samstag endete, ist beachtlich. Etwa 20 Verträge mit einem Investitionsvolumen von rund zehn Milliarden Euro wurden unterzeichnet. Bald werden in Brasilien Elektroautos und neue Häfen gebaut, und das Amazonas-Gebiet überwacht demnächst der erste brasilianisch-chinesische Satellit. 

China ist seit 14 Jahren der wichtigste Handelspartner Brasiliens. Seit Lula das asiatische Land 2004 während seiner ersten Amtszeit erstmals besuchte, hat sich das jährlich gehandelte Warenvolumen auf einen Gesamtwert von 171 Milliarden US-Dollar (rund 156 Milliarden Euro) mehr als verzwanzigfacht. Rund ein Drittel aller Exporte aus Lateinamerikas größter Volkswirtschaft gehen nach China, vor allem Eisen, Erdöl, Soja, Fleisch und Zucker.
Kein Wunder, dass Lula in Peking wie kaum ein anderer Staatsgast mit allen Ehren empfangen wurde. Präsident Xi Jinping bezeichnete den Brasilianer als „alten Freund“.

China will Einfluss in Brasilien vergrößern

Politisch war die Reise dagegen mehr als heikel. Lula machte deutlich, dass er sich eine strategische Partnerschaft mit China über die Handelsbeziehungen hinaus wünsche. Das wurde in Peking wohlwollend aufgenommen, denn Brasilien als bevölkerungsreichstes Land in Lateinamerika hat Leuchtturmcharakter. China will über Infrastrukturprojekte seinen politischen Einfluss in der Region vergrößern. Brasilianische Medien schreiben deshalb von einem Ende der Neutralitätsdoktrin in der Außenpolitik, der sich Brasilien seit Jahrzehnten verpflichtet fühlte.

In den USA hingegen wurde die neue Verbundenheit kritisch kommentiert. US-Medien sehen eine neue Eiszeit zwischen Brasilien und den USA aufkommen. Zwar wurde Lula vor einigen Wochen von Präsident Joe Biden im Weißen Haus empfangen. Doch die Reise war ernüchternd: Selbst für den Fonds zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes wollte die US-Regierung keine Finanzierung zusagen.

Wie zuvor bereits Russlands Präsident Wladimir Putin und Xi forderte Lula in China, den internationalen Warenverkehr nicht mehr über den US-Dollar abzuwickeln. Auch dieser Vorstoß zeigt, wie sich die Schwellenländer von den USA lösen wollen.

Brasiliens Ex-Präsidentin ist neue Chefin einer Entwicklungsbank

Mit der Einführung der brasilianischen Ex-Präsidentin und Parteifreundin Lulas, Dilma Rousseff, als neuer Chefin der Entwicklungsbank der Bric-Staaten in Schanghai gewann diese Forderung noch zusätzlich Widerhall. Die auf Initiative von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika betriebene Brics-Bank hat ein Kreditvolumen von etwa 50 Milliarden Dollar und finanziert große Infrastrukturvorhaben. Rousseff werde den Krieg gegen den Dollar aufnehmen, freuten sich brasilianische TV-Kommentatoren.

China versucht bereits seit Jahren, in Lateinamerika seinen Einfluss zu vergrößern. Zugleich kämpft die Regierung Lula gegen die Abwanderung von Industriearbeitsplätzen. Nun soll der chinesische Autobauer BYD eine Fabrik von Ford im Bundesstaat Bahia übernehmen, deren Betrieb der US-Autobauer eingestellt hat. Für Lula, den ehemaligen Metall-Gewerkschafter, ist das die neue Partnerschaft, mit der er sein wichtigstes innenpolitisches Vorhaben finanzieren kann: die Armutsbekämpfung. Für China bedeutet das einen weiteren Schritt, um in Lateinamerika Fuß zu fassen. 

Bisher sind einige Länder wie El Salvador und Chile der Initiative Neue Seidenstraße, Chinas größtem Infrastruktur- und Handelsprojekt, beigetreten. Dabei geht es China vor allem um die politische Anerkennung seiner Ein-China-Politik. Mit Brasilien als neuem Partner kann China jetzt auch wirtschaftlich stärker investieren. Brasiliens langjähriger Außenminister und Lula-Vertraute Celso Amorim sieht keinen Grund, warum Brasilien nicht auch der Neuen Seidenstraße beitreten sollte. Damit wäre China endgültig in Lateinamerika angekommen.

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