Berlin - Unter der Bedingung, dass Frauen von der Hilfe profitieren, will die Bundesregierung wieder Entwicklungsprojekte in Afghanistan finanzieren. „Soweit Frauen in den von uns finanzierten Programmen mitarbeiten und Frauen durch unsere Programme erreicht werden können, werden wir unser Engagement zum Erhalt der Basisversorgung fortführen“, sagte ein Sprecher des Entwicklungsministeriums am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ darüber berichtet.
Die Fortsetzung sei mit anderen Gebern, den Vereinten Nationen und der Weltbank abgewogen worden, sagte der Sprecher des Entwicklungsministeriums. Angesichts der gravierenden humanitären Krise müsse man sich weiterhin für die Menschen in Afghanistan engagieren.
Die radikalislamischen Taliban hatten an Weihnachten ein Arbeitsverbot für Frauen bei Hilfsorganisationen verhängt und dies mit Verstößen gegen die von ihnen erlassene Kleiderordnung begründet. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hatte kurz nach der Entscheidung bestehende Entwicklungsprojekte ausgesetzt. Auch im Außenamt wurde nach Informationen aus dem Bundestag das Aussetzen bestimmter humanitärer Hilfsleistungen erwogen.
Ein Sprecher von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte nun am Mittwoch, dort, wo Frauen weiterarbeiten oder mit der Hilfe direkt erreicht werden können, werde auch die humanitäre Hilfe fortgesetzt. Dies gelte insbesondere für den Bereich Ernährungssicherung. Man sei sich in der Bundesregierung einig, dass es nach dem Arbeitsverbot kein „business as usual“ geben könne. Über den Umgang mit den bestehenden Restriktionen für Frauen gebe es weitere Abstimmungen im internationalen Geberkreis.
Der Sprecher des Entwicklungsministeriums verwies auch auf Erfahrungen aus der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001. Es habe sich gezeigt, dass der Rückzug der internationalen Unterstützung zu einer Verschärfung der Menschenrechtssituation geführt habe. „Diesen Fehler sollten wir nicht wiederholen.“ Die Hilfe solle jedoch nur dort fortgesetzt werden, wo Frauen arbeiten können sowie Frauen und Mädchen erreicht werden. Alle Programme seien regierungsfern.
Weil schon nach der Machtübernahme bei der deutschen Hilfe ein Fokus auf Frauen und Mädchen gelegt worden sei, kann nach Worten des Sprechers ein Großteil der Vorhaben nach den neuen Grundsätzen wieder aufgenommen werden. Projekte mit einem Volumen von rund 15 Prozent der bisherigen Unterstützung blieben wegen des Arbeitsverbots für Frauen weiter ausgesetzt. Wie der epd aus Kreisen von Nichtregierungsorganisationen erfuhr, hat das Entwicklungsministerium für Freitag Hilfsorganisationen zu einem Treffen eingeladen.
Das Entwicklungsministerium stellte nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr rund 187 Millionen Euro für Projekte in Afghanistan zur Verfügung, unter anderem für die Unterstützung von Gesundheitsstationen, die Ausbildung von Hebammen und die Förderung verbesserter Anbaumethoden in der Landwirtschaft.
In Afghanistan herrscht laut den UN eine beispiellose humanitäre Krise. Mehr als 28 Millionen der etwa 43 Millionen Einwohner sind auf Unterstützung angewiesen, um überleben zu können. Die Hilfsorganisation „Save the Children“ warnte am Mittwoch vor einer Verschärfung der Krise durch das Arbeitsverbot. Bei vielen Familien komme lebensnotwendige Hilfe nicht mehr an.