Tunis - Aus Protest gegen die Auflösung des Obersten Justizrates wollen die tunesischen Richter am Mittwoch und Donnerstag in einen Streik treten. Präsident Kais Saied habe sich mit dieser Entscheidung in die Justiz eingemischt und die Gewaltenteilung missachtet, teilte der tunesische Richterverband am Dienstag mit. Saied hatte am Wochenende angekündigt, den 2016 gegründeten Rat, der die Unabhängigkeit der Justiz garantieren soll, aufzulösen. Für Donnerstag ruft der Richterverband zu Protesten vor dem Sitz des Justizrats auf.
Saied hatte in einem Video, das in der Nacht zu Sonntag in den sozialen Netzwerken verbreitet wurde, angekündigt, den Justizrat auflösen zu wollen. Eine schriftliche Entscheidung liegt bis jetzt nicht vor. Saied warf dem Rat unter anderem vor, parteiisch zu sein und die Ermittlungen zu den Morden an zwei Oppositionspolitikern im Jahr 2013 verschleppt zu haben. Der Richterverband wies diese Anschuldigungen am Dienstag zurück.
Der seit Oktober 2019 amtierende Präsident hatte im Juli 2021 den Notstand ausgerufen, den damaligen Regierungschef Hichem Mechichi entlassen und die Arbeit des Parlaments ausgesetzt. Auch weite Teile der Verfassung wurden außer Kraft gesetzt. Saied regiert seitdem per Dekret. Im Juli soll die Bevölkerung bei einem Referendum über eine Verfassungsänderung abstimmen, im Dezember sollen dann Parlamentswahlen stattfinden.