München/Berlin - Das Verfahren gegen TÜV Süd wegen der Dammbruch-Katastrophe im brasilianischen Brumadinho wird um Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe ausgeweitet. Insgesamt 1.106 weitere Überlebende des Unglücks von vor drei Jahren und Angehörige haben Klage gegen den deutschen Prüfkonzern eingereicht, wie der Kläger-Anwalt Jan Eric Spangenberg dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Das Landgericht München bestätigte dem epd am Montag die Klageerweiterung. Zuvor hatten sechs Angehörige einer bei dem Unglück in der Eisenerzmine Córrego do Feijão verstorbenen Ingenieurin TÜV Süd auf Schadenersatz verklagt.
Am 25. Januar 2019 war der Damm eines Rückhaltebeckens in der Mine eingebrochen. Ein halbes Jahr davor hatte die brasilianische Tochterfirma von TÜV Süd dem Bergbaukonzern Vale die Sicherheit des Damms bescheinigt. Bei dem Unglück im Bundesstaat Minas Gerais starben mehr als 270 Menschen, das Gebiet wurde mit giftigem Schlamm überflutet.
Forderung: 440 Millionen Euro Schadenersatz
An der Klageerweiterung beteiligen sich Anwalt Spangenberg zufolge Überlebende sowie Eltern, Ehepartner und Geschwister der Opfer. Sie fordern 440 Millionen Euro Schadenersatz. Das Landgericht München bestätigte, dass jetzt weiterverhandelt werde. Ein ursprünglich für den 1. Februar angesetzter Termin für die Urteilsverkündung sei aufgehoben. Ein Termin für die neue Verhandlung stehe noch nicht fest.
Die Angehörigen werfen TÜV Süd vor, trotz offensichtlicher Sicherheitsbedenken die Stabilität des 85 Meter hohen Damms zertifiziert zu haben. „Nach den eigenen Untersuchungen des TÜV Süd hat der Damm den anerkannten und empfohlenen Sicherheitsfaktor von 1,3 nicht erreicht. Der Damm erreichte einen erheblich geringeren Sicherheitsfaktor von zunächst nur 1,06 und später 1,09“, erklärte Spangenberg. Trotzdem stellte der TÜV Süd ein Stabilitätsgutachten aus, ohne das die Mine nicht hätte weiter betrieben werden können.
Gericht muss (Mit-)Schuld des TÜV Süd an dem Unglück klären
Aus internen Unterlagen werde zudem klar, dass sich die Prüfer unter Druck gesetzt gefühlt haben. „Es gab offenbar die Sorge, dass andere Aufträge von Vale wegfallen würden, wenn keine positiven Stabilitätsgutachten ausgestellt würden“, sagt Spangenberg. Dann habe es eine Besprechung mit einem aus München entsandten Manager gegeben und danach sei die Stabilitätserklärung ausgestellt worden. Zusammen mit der internationalen auch in Brasilien ansässigen Kanzlei PGMBM vertritt Spangenberg die Klägerinnen und Kläger.
Das Gericht muss jetzt klären, ob der TÜV Süd Schuld oder eine Mitschuld an dem Unglück hat. Das Prüfunternehmen hat alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Der Betreiberkonzern Vale war von der brasilianischen Justiz bereits zu Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe verurteilt worden, die aber größtenteils für die Beseitigung der Umweltschäden durch die giftigen Schlammmassen aufgewendet werden.