Frankfurt a.M. - Nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Abdullah Hamdok ist die Lage im Sudan nach Einschätzung der Expertin Marina Peter gefährlich verfahren. „Die Zivilgesellschaft ist sich einig, dass sie das Militär loswerden will, aber nicht darüber, wie der Weg dahin sein soll“, sagte Peter, die bei „Brot für die Welt“ als Beraterin für das Horn von Afrika tätig ist, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zugleich werde das Militär sich nicht zurückziehen.
„Die Lage wird vermutlich weiter eskalieren“, sagte Peter. Das Militär könnte einen neuen Ministerpräsidenten ernennen mit einem neuen Kabinett, das der Armee wohlgesonnen sei. „Aber das wird sich die Straße nicht bieten lassen.“ Die Menschen seien wild entschlossen durchzuhalten in der Hoffnung, dass das Militär sich zurückziehe. Noch traue sich das Militär nicht, mit aller Macht zurückzuschießen. „Aber wenn es genug Rückhalt von bestimmten Ländern wie Ägypten oder Russland hat, wird es sich nicht mehr kümmern, was der Westen sagt“, sagte Peter.
Vertreibungen, Vergewaltigungen und Überfälle
Der Rücktritt des Zivilisten Hamdok sei nicht unerwartet gekommen, erläuterte sie. „Er hatte schon angekündigt, dass er aufhört, wenn die Bevölkerung nicht hinter ihm steht.“ Ihm habe Populismus im positiven Sinne gefehlt. Nach seiner Absetzung im Oktober hatte der Ökonom sich im November auf eine erneute Vereinbarung mit der Armee eingelassen, die eine Übergangsregierung unter Kontrolle des Militärs vorsah. Dem habe die Bevölkerung nicht getraut, erläuterte Peter. „Die Proteste halten seit Monaten an, jedes Mal gibt es Tote, und auch viele Vergewaltigungen bei den Kundgebungen.“ Die Menschen wollten nicht noch einen faulen Kompromiss wie die Abkommen nach den beiden Militärputschs 2019 und im vergangenen Oktober.
Auch jenseits der Hauptstadt Khartum eskaliert Peter zufolge die Gewalt. So sei die Situation in der Krisenregion Darfur inzwischen fast wieder so schlimm wie 2003/04, wo nach UN-Schätzungen in einem mehrjährigen Völkermord etwa 300.000 Menschen getötet wurden. „Seit Monaten werden wieder Menschen vertrieben, es gibt viele Überfälle auf Dörfer.“ Auch im Osten des Landes gebe es Konflikte, und die Nuba-Berge im Süden des Landes seien nie befriedet gewesen.
Keine Hilfe aus dem Ausland zu erwarten
Vom Ausland erhofft sich Peter wenig Hilfe für den Sudan in dieser Situation. Seit längerem diskutierten die westlichen Länder kontrovers über Sanktionen gegen die Militärs, weil fraglich sei, wen diese treffen. „Die Möglichkeiten, die Länder von außen haben, sind begrenzt, vor allem, wenn sie sich nicht einig sind.“ In der ganzen Region herrsche Aufruhr, und Länder mit Einfluss verfolgten eigene Interessen.