Oberster Gerichtshof in Russland verbietet Memorial

Moskau/Berlin - Der Oberste Gerichtshof in Russland hat die Menschenrechtsorganisation Memorial aufgelöst. Das Gericht folgte mit der Entscheidung einem entsprechenden Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, wie die russische Agentur Interfax am Dienstag berichtete. Demnach will die 1988 gegründete Organisation den Beschluss anfechten. Das deutsche Auswärtige Amt wertete die Entscheidung als Verstoß gegen internationale Verpflichtungen zum Schutz grundlegender Bürgerrechte. Amnesty International und andere zivilgesellschaftliche Organisationen sprachen von einem „schweren Schlag für die russische Gesellschaft“.

Memorial war 1988 in Moskau gegründet worden. Die Menschenrechtsorganisation erhielt unter anderem 2004 den Alternativen Nobelpreis und 2009 den Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments. Die Organisation setzt sich für die Aufarbeitung der Verbrechen in der Sowjetunion und die Wahrung der Menschenrechte in Russland ein.

Memorial will Berufung einlegen

Seit 2016 war Memorial in Russland als „Ausländischer Agent“ registriert, weil die Organisation teilweise aus dem Ausland finanziert wird. Ihr wurde vorgeworfen, gegen ein entsprechendes Gesetz verstoßen zu haben. Laut Interfax sollen auch die regionalen Zweigstellen der Organisation verboten werden. Der Memorial-Vorsitzende Jan Rachinsky sagte laut dem Bericht, seine Organisation wolle zunächst bei nationalen Gerichten Berufung einlegen. Wenn nötig, werde man vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes erklärte am Dienstag in Berlin: „Berechtigter Kritik von Organisationen wie Memorial sollte zugehört werden.“ Mit der Entscheidung des Gerichts werde Opfern von Unterdrückung und Repression die Stimme entzogen.

"Skrupelloses Urteil"

Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Gerichtsentscheidung scharf. „Memorial steht wie keine andere Organisation für ein offenes, menschenfreundliches, demokratisches Russland, das die Versöhnung innerhalb der eigenen Gesellschaft und mit seinen Nachbarn sucht“, hieß es in einer unter anderem von Amnesty International, der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Deutschen Pen-Zentrum unterzeichneten Erklärung. Das Verbot sei politisch motiviert. Der russische Staat bekämpfe die Auseinandersetzung mit der eigenen Unrechtsgeschichte.

Auch die Right-Livelihood-Stiftung, die den Alternativen Nobelpreis vergibt, prangerte das Urteil als politisch motiviert an. Das Urteil sei skrupellos und zeige die „völlige Missachtung demokratischer Normen seitens der russischen Regierung“, sagte der Geschäftsführer der Stiftung, Ole von Uexkull, in Stockholm.

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