Genf - In Äthiopien haben die Behörden laut den Vereinten Nationen Tausende Menschen unter dem Ausnahmezustand verhaftet. Bei den meisten Inhaftierten handele es sich um Angehörige der Volksgruppe der Tigray, sagte die stellvertretende UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Nada Al-Nashif, in Genf bei einer Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrates. Demnach wurden auch neun UN-Mitarbeiter festgenommen. Zwar seien in den vergangenen sechs Wochen Hunderte Menschen freigelassen worden, doch bis zu 7.000 Menschen seien noch inhaftiert.
Die äthiopische Regierung hatte Anfang November wegen des Bürgerkriegs im Norden des Landes den Notstand verhängt. Die Behörden können dadurch Menschen ohne Gerichtsentscheidung inhaftieren und Medien, nichtstaatliche Organisationen sowie lokale Verwaltungen auflösen.
Bislang keine unabhängige und transparente Aufarbeitung
Es gebe besorgniserregende Berichte über Menschenrechtsverletzungen unter dem Ausnahmezustand, sagte Al-Nashif. Doch auch andere an dem Konflikt beteiligten Parteien hätten in unterschiedlichem Ausmaß Menschenrechte verletzt. Einige Vorfälle seien möglicherweise als Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu bewerten. Bei der von der EU beantragte Sondersitzung berieten die Mitgliedsstaaten des Menschenrechtsrates über eine Resolution, die die Einsetzung einer internationalen Kommission zur Untersuchung der Vorwürfe vorsieht.
Der Bürgerkrieg in Äthiopien entzündete sich vor rund einem Jahr in der nördlichen Region Tigray, wo ein Machtkampf zwischen der dort lange herrschenden Partei TPLF und der Zentralregierung eskalierte. Der Konflikt weitete sich nach und nach auf andere Regionen des Landes aus. Im November hatte der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed eine Taskforce zur Aufklärung und Aufarbeitung möglicher Verbrechen angekündigt. Laut dem am Freitag im Menschenrechtsrat diskutierten Resolutionsentwurf ist dadurch aber keine unabhängige und transparente Aufarbeitung sichergestellt.
Der 2006 gegründete Menschenrechtsrat umfasst 47 Mitgliedsländer und wacht über die Einhaltung der Menschenrechte. Das Gremium verabschiedet Resolutionen und setzt Sonderberichterstatter und Untersuchungskommissionen ein.