Frankfurt a.M., Addis Abeba - Die Verfolgung von Zivilisten und Medienschaffenden in Äthiopien nimmt weiter zu. Mindestens 14 Journalisten wurden festgenommen, seit Anfang November der Notstand verhängt wurde, wie der internationale Verband CPJ am Donnerstag mitteilte. Menschenrechtsorganisationen prangerten derweil das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte in den vergangenen Wochen im Norden des Landes an.
Im November und Dezember hätten Polizei, Militär und Milizen aus der Region Amhara in der Nachbarregion Tigray Zivilisten systematisch verhaftet, vertrieben oder gar ermordet, beispielsweise wenn sie versuchten zu fliehen, erklärten Amnesty International und Human Rights Watch. Auch Inhaftierte seien in Gefahr, da sie nicht ausreichen ernährt und medizinisch versorgt würden. Zudem seien Fälle von Folter bekanntgeworden.
Die äthiopische Regierung hatte Anfang November wegen des Bürgerkriegs im Norden des Landes den Notstand verhängt. Die Behörden können dadurch Menschen ohne Gerichtsentscheidung festnehmen und Medien, nichtstaatliche Organisationen sowie lokale Verwaltungen auflösen.
Kritischer Journalismus "praktisch unmöglich"
Unter den inhaftierten Journalisten sind dem Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) zufolge zwei Reporter des Dienstes auf Tigrinya des staatlichen Rundfunks EBC, der Chefredakteur eines Online-Fernsehsenders und ein Videojournalist, der auch für die amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press (AP) arbeitet. Mehrere Inhaftierte werden beschuldigt, die Volkbefreiungsfront von Tigray (TPLF) unterstützt zu haben, gegen die die Zentralregierung seit mehr als einem Jahr militärisch vorgeht.
Die Behörden müssten die Medienschaffenden unverzüglich freilassen, forderte CPJ in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. „Das äthiopische Notstandsgesetz gibt Sicherheitskräften enorme Macht für Festnahmen und macht kritischen Journalismus praktisch unmöglich“, sagte der Verantwortliche des Verbandes für Afrika südlich der Sahara, Muthoki Mumo.
1,2 Millionen Menschen aus der Tigray-Region vertrieben
In den Städten Adebai, Humera und Rawyan im Westen der Region werden Tigrayer laut Amnesty und Human Rights Watch zusammengetrieben, Familien getrennt und Jugendliche sowie alte Menschen inhaftiert. Kinder, Frauen, Kranke und auch Alte würden vertrieben. Ihre Informationen beziehen die Menschenrechtsorganisationen aus Telefoninterviews mit Augenzeugen und Angehörigen in der Region. Angaben des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) zufolge sind seit Beginn des Konflikts 1,2 Millionen aus dem Westen der Tigray-Region vertrieben worden, allein mehr als 10.000 in den letzten November-Tagen.
Der Bürgerkrieg in Äthiopien entzündete sich in der nördlichen Region Tigray, wo im November 2020 ein Machtkampf zwischen der dort lange herrschenden TPLF und der Zentralregierung eskalierte. Seither hat sich der Konflikt auf weitere Regionen des Landes ausgeweitet. Beiden Seiten werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, darunter der Einsatz sexueller Gewalt als Kriegswaffe und die Blockade humanitärer Hilfe. Der Zentralregierung wird vorgeworfen, den Zugang zu den Regionen für Beobachter und Journalisten zu behindern. Dadurch gibt es kaum unabhängige Informationen über die Lage in den umkämpften Gebieten.