Den Haag/Berlin - Menschenrechtsorganisationen haben den Internationalen Strafgerichtshof aufgerufen, Ermittlungen wegen Verbrechen gegen Migranten in Libyen aufzunehmen. Das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) in Berlin teilte am Dienstag mit, gemeinsam mit anderen Organisationen in Den Haag Strafanzeige wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzureichen. Die Anklagebehörde des Strafgerichtshofs ermittelt bereits in Libyen, bisher jedoch nur zu mutmaßlichen Verbrechen des Regimes des früheren Präsidenten Muammar al-Gaddafi.
Das ECCHR, die Internationale Liga für Menschenrechte (FIDH) und die libysche Organisation „Lawyers for Justice in Libya“ (LFJL) teilten mit, tausende Geflüchtete und Migranten, die durch Libyen reisen, seien dort massiver Gewalt und systematischer Misshandlung ausgesetzt. Staatliche und private Akteure nutzen die prekäre Lage der Menschen aus. In der Strafanzeige werden 19 mutmaßliche libysche Verantwortliche genannt, darunter bekannte Milizenführer. Sie basiert auf Interviews mit 14 Überlebenden und Berichten der Vereinten Nationen und der Zivilgesellschaft.
Jeder kann mutmaßliche Verbrechen beim IStGH anzeigen
In den vergangenen Jahren wurden in Den Haag bereits mehrfach Hinweise auf Verbrechen gegen Migranten in Libyen eingereicht. Laut dem Gründungsstatut des Internationalen Strafgerichtshofs kann jede Person und jede Gruppe mutmaßliche schwere Verbrechen, die unter den Zuständigkeitsbereich des Gerichts fallen, bei der Anklagebehörde anzeigen. Die erste Prüfung, ob sich der Strafgerichtshof überhaupt mit dem Fall befassen kann, kann mehrere Wochen bis Monate in Anspruch nehmen. Libyen ist zwar kein Mitgliedsland des Gerichts, der Sicherheitsrat hatte nach dem Ausbruch von Gewalt beim Sturz des Gaddafi-Regimes eine juristische Grundlage für Ermittlungen des Strafgerichtshofs geschaffen.