Wiesbaden - Afghanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Exil planen die Gründung einer afghanischen Exil-Online-Universität. Die Idee einer „Afghan Exile online University“ habe das Deutsche Komitee des internationalen Wissenschafts-Netzwerks World University Service (WUS) entwickelt, sagte dessen Vorstandsvorsitzender Kambiz Ghawami am Montag in Wiesbaden dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nach dem Einmarsch der Taliban in Kabul im vergangenen August hätten Hunderte Hochschulangehörige beim WUS angerufen und um Hilfe zur Ausreise gebeten. Viele steckten immer noch in Afghanistan fest. Den Geflohenen wolle der WUS helfen, im Exil beruflich Fuß zu fassen.
Die Idee ist nach den Worten von Ghawami, dass die zu gründende Online-Universität Partnerschaften mit bestehenden Hochschulen eingeht, dadurch eine Akkreditierung erlangt und doppelte Studienabschlüsse anbieten kann. Afghanische Wissenschaftler sollten dort solche Studiengänge anbieten, die die Taliban abgeschafft hätten, nämlich Geistes- und Sozialwissenschaften. Aber auch Fähigkeiten, die in der Zeit nach den Taliban gebraucht würden, wie Betriebswirtschaft und Informatik, sollten unterrichtet werden, hieß es. Studierende in Afghanistan und im Exil sollten dort ein Studium ohne ideologische Indoktrination absolvieren können und langfristig zum Aufbau eines freiheitlichen Afghanistans beitragen.
Konferenz mit afghanischen Exil-Politikern in Frankfurt
Zur Ausarbeitung einer Konzeption werden den Angaben zufolge hochrangige Exil-Vertreter der ehemaligen afghanischen Regierung und des afghanischen Hochschulwesens am 10. und 11. Dezember zu einer Konferenz in Frankfurt am Main zusammenkommen. Darunter seien unter anderen der ehemalige Außenminister Rangin Dadfar Spanta und der ehemalige Vize-Hochschulminister und amtsenthobene Präsident der Universität von Kabul, Mohammad Osman Babury. Aber auch Vertreter von Hochschulen, Stiftungen und Ministerien aus Deutschland und dem Ausland nähmen teil, wie der Kasseler Soziologe Ulrich Teichler, langjähriger Direktor des „International Center for Higher Education Research“.
Zuspruch komme etwa von dem internationalen Hochschul-Netzwerk „Global Campus of Human Rights“ mit Sitz in Venedig, von der internationalen „Central European University“ mit Sitz in Wien und vom Europarat, sagte Ghawami. Es gebe auch vorsichtige Signale für eine finanzielle Unterstützung. Das 1950 gegründete Deutsche Komitee des WUS sei unter den 50 Komitees weltweit in der Unterstützung afghanischer Exil-Wissenschaftler vorangegangen, weil Deutschland mit Afghanistan eine 100-jährige Bildungszusammenarbeit verbinde, erklärte Ghawami. Deutschland habe die Wissenschaft in dem Land sehr gefördert und genieße ein großes Ansehen unter afghanischen Wissenschaftlern.