Frankfurt a.M., Santiago - Bei den Präsidentschaftswahlen in Chile hat der Rechtsnationalist José Antonio Kast die meisten Stimmen erhalten. Nach Auszählung fast aller Stimmen sei er auf knapp 28 Prozent Zustimmung gekommen, erklärte die Nationale Wahlkommission in der Nacht auf Montag (Ortszeit) in der Hauptstadt Santiago. Der zweitplatzierte Linke Gabriel Boric erreichte knapp 26 Prozent. Da keiner über die 50-Prozent-Marke kam, wird es am 19. Dezember eine Stichwahl geben. Die neue Amtszeit beginnt im März.
Die Ergebnisse zeigen die Polarisierung des Landes, das sich in einer politischen Umbruchszeit befindet. Zum ersten Mal seit dem Ende der Diktatur (1973-1990) entscheidet sich die Besetzung des Präsidentenamtes nicht zwischen den traditionellen Strömungen Mitte-Links und Mitte-Rechts. Der 55 Jahre alte Jurist Kast, Sohn deutscher Eltern, sympathisiert mit dem rechtsextremen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und hat sich nie deutlich von der Diktatur von General Augusto Pinochet distanziert. Er will für „Ordnung und Fortschritt“ sorgen, Steuern senken, Kriminalität bekämpfen und die Zuwanderung beschränken.
Früherer Studentenführer Boric für bessere Bildung und Umwelt
Der frühere Studentenführer Boric (35) will den jüngeren Generationen eine Stimme verleihen. Der Parlamentarier war eine der zentralen Figuren der sozialen Proteste, die seit 2019 eine Abkehr der von der Diktatur und großer Ungleichheit geprägten Wirtschafts- und Sozialpolitik fordern und die zur Wahl einer Verfassungsgebenden Versammlung im Mai führten. Er setzt sich für ein garantiertes Recht auf Gesundheitsversorgung, ein gerechteres Rentensystem, kostenfreie und bessere staatliche Bildung und eine entschiedene Umweltpolitik ein.
Seit der Rückkehr zur Demokratie hat bisher immer diejenige Person die Stichwahl für sich entschieden, die in der ersten Runde die meisten Stimmen erhalten hatte. Doch der Wahlausgang diesmal lässt eine eindeutige Vorhersage nicht zu. Der konservative Amtsinhaber Sebastián Pinera konnte sich nicht noch einmal zur Wahl stellen. Der Kandidat der Regierungspartei, Sebastián Sichel, kam mit knapp 13 Prozent auf den vierten Platz.
Im Senat bleibt das Gewicht der favorisierten Präsidentschaftskandidaten gering. Bei der Wahl von 27 der 50 Mandate legte das derzeitige Regierungsbündnis zu. Auch unter den 155 Abgeordneten des Parlaments wird es für die beiden Kandidaten der Stichwahl keine eindeutigen Mehrheiten geben.