Göttingen/ Lemgo - Menschenrechtler drängen auf eine Aufnahme der an der belarussisch-polnischen Grenze gestrandeten Migranten in die Europäische Union. Dieser menschlichen Tragödie und humanitären Katastrophe müsse ein Ende gesetzt werden, verlangte die Gesellschaft für bedrohte Völker am Montag in Göttingen.
Viele dieser Flüchtlinge seien Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten wie Kurden und Jesiden aus dem Irak und Syrien oder Hazara aus Afghanistan, sagte der Nahostexperte der Menschenrechtsorganisation, Kamal Sido. „Sie flüchten vor Verfolgung, Krieg und Gewalt durch Diktaturen oder Warlords. Dass sie als politisches Druckmittel missbraucht werden, ist nicht ihr Fehler.“
Zugang für Hilfsorganisationen und Journalisten gefordert
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko instrumentalisiere das Leid und die Not der Geflüchteten für machtpolitische Interessen, um politische und finanzielle Zugeständnisse zu erpressen. Lukaschenko trete „faktisch als Schlepper auf“ und setze das Leben von Tausenden Menschen aufs Spiel, unter ihnen auch Kinder. Das humanitäre Völkerrecht gelte aber auch in Polen. Geflüchtete im Grenzgebiet müssten versorgt werden, Hilfsorganisationen und Medien brauchten Zugang.
Seit Monaten versuchen Menschen aus Staaten wie Afghanistan oder dem Irak, über Belarus in die EU zu gelangen. Ihre Zahl hat sich zuletzt deutlich erhöht. EU-Spitzenpolitiker werfen dem belarussischen Staatschef Lukaschenko vor, die Menschen mit Versprechungen einer leichten Einreise anzulocken und dann an die Grenze zu Polen, Litauen oder Lettland zu schleusen. Nach Medienberichten sitzen Tausende Flüchtlinge und Migranten im Grenzgebiet fest.
"Himmelschreiendes Unrecht“
Auch der Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche, Dietmar Arends, hat die Abweisung von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen scharf kritisiert. „Was sich zurzeit im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen abspielt und zuvor schon im Grenzgebiet zwischen Belarus und Litauen, ist himmelschreiendes Unrecht“, erklärte Arends in seinem Bericht vor der Lippischen Landessynode am Montag im nordrhein-westfälischen Lemgo. Der Tod von Menschen werde billigend in Kauf genommen. „Dazu dürfen wir nicht schweigen“, mahnte Arends.
Es sei ein Skandal, wie Europa immer weiter und immer mehr die Türen gegenüber Menschen verschließe, die auf dem Heimatkontinent der Genfer Flüchtlingskonvention, die in diesem Jahr 70 Jahre alt wurde, Zuflucht suchten, erklärte der oberste Repräsentant der Lippischen Landeskirche. Illegale Zurückweisungen an den Grenzen, sogenannte Pushbacks, seien an den verschiedenen Außengrenzen der EU, im zentralen Mittelmeer, in der Ägäis, in Kroatien und an den Grenzen zu Belarus vielfach dokumentiert. Zudem werde die zivile Seenotrettung aktiv behindert.