Proteste gegen die Taliban in Afghanistan - Evakuierungen dauern an

Zum afghanischen Unabhängigkeitstag gibt es Proteste gegen die Taliban. Diese reagieren mit großer Brutalität. Die Evakuierungsoperation läuft derweil weiter - doch es bleibt für Afghaninnen und Afghanen sehr schwierig, zum Flughafen zu kommen.

Berlin/Kabul - Wenige Tage nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan ist es in mehreren Städten zu Protesten gegen die islamischen Extremisten gekommen. Am Unabhängigkeitstag am Donnerstag eröffneten Taliban-Kämpfer bei einer Kundgebung in der Stadt Asadabad im Nordosten des Landes das Feuer und töteten mehrere Menschen, wie der arabische Sender Al Dschasira berichtete. Die internationale Evakuierungsoperation am Flughafen der Hauptstadt Kabul dauerte derweil an.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums hat die Bundeswehr inzwischen mehr als 900 Menschen nach Taschkent in Usbekistan gebracht. Die Lage am Flughafen blieb angespannt. Hunderte Familien warteten weiter auf einen Platz in einem Evakuierungsflugzeug. Am und im Flughafen sind in den vergangenen Tagen zahlreiche Menschen getötet und verletzt worden.
Der Führer des deutschen Einsatzverbandes für die militärische Evakuierungsoperation, Brigadegeneral Jens Arlt, beschrieb per Videoschalte die Situation in Kabul. Afghanen, die versuchten, durch die Schleusen in den Flughafen zu gelangen, seien verzweifelt und hätten das Gefühl, dass ihnen die Zeit davonlaufe.

Wer es mit den erforderlichen Ausweisdokumenten schaffe, durch die überfüllten Straßen und die Kontrollringe der Taliban bis an den äußeren Bereich der Zugänge zu gelangen und gesichtet werde, werde in den inneren Bereich gebracht. Es sei aber angesichts der Menschenmassen eine Suche wie nach der Nadel im Heuhaufen. Große Gruppen geschlossen dorthin zu bringen, sei in dieser Situation nicht möglich. Arlt befürchtete, dass sich das Ganze noch zuspitzt.

Vereinzelte Proteste gegen die Taliban

In Kabul gab es am Unabhängigkeitstag ebenfalls vereinzelte Proteste. Afghanistan erlangte vor 102 Jahren, am 19. August 1919, die Unabhängigkeit von Großbritannien. Im Pandschir-Tal schwor der Sohn des legendären Nordallianz-Führers Ahmed Shah Masud, Ahmed Masud, Widerstand gegen die Taliban. In einem Meinungsstück für die US-amerikanische Zeitung „Washington Post“ bat Masud um Waffen und Munition, um den Kampf gegen die neuen Machthaber zu führen. Die Hilfsorganisation Emergency, die zahlreiche Kliniken in Afghanistan betreibt, meldete eine Reihe von Verwundeten in dem nördlich von Kabul gelegenen Tal.

Indes wird immer deutlicher, dass Tausende afghanische Ortskräfte deutscher Organisationen wegen umständlicher bürokratischer Verfahren nicht rechtzeitig an ein Visum für Deutschland gekommen sind. Nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) gingen im Zeitraum von Anfang Juli bis Mitte August mehr als 9.000 Gefahrenanzeigen von Afghaninnen und Afghanen bei den zuständigen Stellen ein. Nach Abzug von Duplikaten waren es knapp 4.200.

Über die meisten Gefahrenanzeigen noch nicht entschieden

Doch bis zum vergangenen Montag, also einen Tag nach der Machtübernahme der Taliban, wurde der dem epd vorliegenden Statistik zufolge nur in 237 Fällen eine Berechtigung zur Visa-Ausstellung erteilt - über den überwiegenden Teil der Gefahrenanzeigen war zu dem Zeitpunkt noch nicht entschieden worden. Erst wenn die Berechtigungen erteilt waren, konnte mit der Abnahme der Fingerabdrücke der eigentliche Visa-Prozess eingeleitet werden. Die meisten Fälle (rund 1.750) betrafen Ortskräfte der Bundeswehr, knapp 300 Fälle die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag) war an bürokratischen Hindernissen auch ein Plan des Verteidigungsministeriums für den 25. Juni gescheitert, 60 Ortskräfte und ihre Angehörigen - maximal 300 Personen - aus Afghanistan nach Deutschland zu bringen. Ein Sprecher des Ministeriums sagte dem Blatt, dass „die Voraussetzungen wie Pass und Visa für die sichere Abfertigung der möglichen Passagiere vor Ort nicht mehr erfüllt werden“ konnte. Dabei sei es vor allem darum gegangen, die Ortskräfte und ihre Angehörigen zweifelsfrei zu identifizieren und vor der Ausreise zu prüfen, ob sie berechtigt seien, nach Deutschland gebracht zu werden. Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte erst vergangene Woche ermöglicht, dass Ortskräfte auch ohne fertige Papiere nach Deutschland kommen können. Die Taliban standen da schon vor Kabul. 

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