Berlin - Die Bundeswehr hat eine erste Gruppe von Menschen aus der afghanischen Hauptstadt Kabul ausgeflogen. Ein Militärflieger vom Typ A400M mit Schutzbedürftigen sei in Richtung Taschkent im Nachbarland Usbekistan gestartet, teilte das Bundesverteidigungsministerium in der Nacht zum Dienstag auf Twitter mit. Das Auswärtige Amt bestätigte am Dienstagmorgen, dass nur sieben Personen mitgenommen wurden und begründete die geringe Zahl mit den Bedingungen vor Ort. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sprach von einer unübersichtlichen Situation am Kabuler Flughafen und „einer wirklich halsbrecherischen Landung“ der deutschen Transportmaschine.
Es seien vor allen Dingen Soldaten vor Ort gebracht worden, die jetzt am Flughafen dafür sorgten, dass Menschen zum Flughafen gelangen könnten, um ausgeflogen zu werden, erklärte Kramp-Karrenbauer am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“. Eine zweite Bundeswehrmaschine warte nun auf grünes Licht der Amerikaner, damit die Evakuierungen fortgesetzt werden könnten.
Luftbrücke trotz chaotischer Zustände am Flughafen Kabul geplant
Ein Sprecher des Außenamts erläuterte, aufgrund der chaotischen Umstände am Flughafen und regelmäßiger Schusswechsel am Zugangspunkt sei nicht gewährleistet gewesen, dass weitere Personen ohne Schutz der Bundeswehr überhaupt Zugang zum Flughafen erhalten würden. Sie aufzurufen, sich insbesondere nachts zum Flughafen zu begeben, „wäre es ein untragbares Risiko für Leib und Leben der Menschen vor Ort gewesen“. Zudem hätten die Partner, die am Flughafen verantwortlich für die Sicherheit sind, eine Aufnahme von Personen, die sich am zivilen Teil des Flughafens aufhielten, nicht ermöglicht. Das Flugzeug habe außerdem aufgrund der Sicherheitsvorgaben Kabul nach kurzer Zeit wieder verlassen müssen, sagte der Sprecher.
Für den weiteren Verlauf der Rettungsaktion beschrieb Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zwei Szenarien. „Das erste Szenario ist, dass der Flughafen nur für kürzere Zeit offen gehalten werden kann. Dafür haben wir jetzt auch sehr robuste Kräfte vor Ort und verstärken weiter“, sagte sie. „Das zweite Szenario, auf das wir alle zusammen mit den Amerikaner hoffen, ist, dass wir in den nächsten Tagen eine Luftbrücke aufbauen können.“ Dafür stünden bis zu 600 Soldaten vor Ort bereit. Jetzt sei es wichtig, dass Schleusen aufgebaut würden, um Deutsche, Ortskräfte und gefährdete Personen herauszuholen, betonte Kramp-Karrenbauer: „Der Auftrag der Bundeswehr ist klar: So lange es irgendwie geht, so viele wie möglich rausholen.“
Probleme bei der Landung
Das deutsche Militärflugzeug hatte wegen der angespannten Lage am Flughafen Kabul am Montag zunächst nicht landen können. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Montagabend versprochen, alles daran zu setzen, die eigenen Landsleute in Sicherheit zu bringen sowie afghanische Ortskräfte, die für staatliche Entwicklungsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen in Deutschland gearbeitet haben. Hier seien etwa 1.500 Personen kontaktiert worden, knapp 600 hätten sich gemeldet.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes wurden bereits in den vergangenen Wochen von 2.500 afghanischen Ortskräften der Bundeswehr und der deutschen Polizei rund 1.900 nach Deutschland gebracht. Das Auswärtige Amt ging davon aus, dass sich eine hohe zweistellige Zahl an Deutschen noch im Land aufhält.
Die radikalislamischen Taliban hatten nur kurze Zeit nach dem Rückzug der internationalen Truppen Afghanistan nach und nach übernommen. Am Sonntag rückten sie bis nach Kabul vor und stürmten den Präsidentenpalast in der Hauptstadt, nachdem Staatschef Aschraf Ghani aus dem Land geflohen war. Nur der militärische Teil des Flughafens von Kabul wurde von internationalen Streitkräften noch für die Evakuierungsoperationen abgesichert.