Frankfurt a.M./Kabul - Internationale Hilfsorganisationen können nach Einschätzung des Leiters des Afghanistan-Büros von Caritas International, Stefan Recker, auch bei einer Machtübernahme der Taliban im Land bleiben. „Wir werden auch unter einem Taliban-Regime arbeiten können“, sagte Recker dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gleichwohl müssten Hilfsorganisationen mit Einschränkungen rechnen. Vor allem die bei Caritas angestellten afghanischen Frauen fürchteten, dass sie unter den Taliban nicht mehr weiterarbeiten dürfen.
Recker, der seit Mitte 2014 für das katholische Hilfswerk in Afghanistan tätig ist, zeichnete ein ambivalentes Bild aus den von den Taliban kontrollierten Gebieten. So gebe es Berichte, dass Taliban-Kämpfer gezielt Jagd auf Regierungsbeamte und Sicherheitskräfte machten und sie misshandelten oder töteten. Hingegen habe es bisher keine Angriffe auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen gegeben. Auch der kirchliche Hintergrund von Caritas International spiele keine Rolle. In manchen Gebieten hätten Taliban-Kämpfer sogar verhindert, dass die Büros internationaler Hilfsorganisationen geplündert werden.
"Die Taliban sind kein homogener Block"
Sei Beginn des Jahres habe sich die ohnehin schon schlechte humanitäre Lage im Land noch einmal verschärft, sagte der 58-Jährige. Hunderttausende Menschen seien aufgrund der Kämpfe, einer Dürre und aus Angst vor Racheakten der Taliban auf der Flucht. In der Hauptstadt Kabul lebten viele Binnenflüchtlinge auf der Straße oder in Parks. „Die Lage für die Neuankömmlinge ist sehr schlecht“, berichtete Recker.
Es gibt ihm zufolge innerhalb der Taliban verschiedene Strömungen, die auch jeweils eine eigene Agenda in Bezug auf Frauenrechte und die Schulbildung für Mädchen verfolgten. Manche Taliban-Kämpfer würden im Vergleich zu früher liberalere Positionen vertreten. „Die Taliban sind kein homogener Block“, sagte Recker. „Ich weiß nicht, ob sie ein gemeinsames Konzept haben.“ Als die Taliban in den 1990er Jahren in Afghanistan herrschten, waren die Rechte von Frauen stark eingeschränkt. Mädchen war der Schulbesuch untersagt.
Trotz der angespannten Sicherheitslage will Recker, der seit 1995 für verschiedene Hilfsorganisationen in Afghanistan arbeitet, vorerst nicht ausreisen. „Ich rechne nicht mit Angriffen auf mich“, sagte er: „Wir sind als Hilfsorganisation kein Ziel.“