Frankfurt a.M. - Zum 70. Jahrestag der Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention hat Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) der Europäischen Union (EU) eine kurzsichtige Politik vorgeworfen. „Brüssel muss noch viel stärker zur Überwindung der Ursachen von Flucht und Vertreibung beitragen“, forderte er und fügte hinzu: „Sonst werden wir auch in Europa noch stärker mit den dramatischen Konsequenzen der globalen Flüchtlingskrisen konfrontiert sein.“
Müller sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“, vor allem die ärmsten Länder trügen die Hauptlast der weltweiten Flüchtlingskrise. „85 Prozent der Flüchtlinge kommen nicht zu uns, sondern finden Zuflucht in Entwicklungsländern, wo die Ernährungslage ohnehin oft kritisch ist“, führte der CSU-Politiker aus. Diese Länder bräuchten Unterstützung. „Der Klimawandel verschärft die Flüchtlingslage weiter“, warnte der Minister. Aus heute schon 20 Millionen Klimaflüchtlingen könnten in wenigen Jahren 100 Millionen Menschen werden, die ihre Lebensgrundlage in der Heimat verloren haben. „Die Folgen sind Hunger, Elend, Unruhen“, sagte Müller.
In der Kritik: Zusammenarbeit der EU mit Libyen
Der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt warf der EU vor, massiv gegen die Genfer Flüchtlingskonvention zu verstoßen. „Die EU bezahlt zum Beispiel libysche Milizen dafür, dass Menschen an der Flucht über das Mittelmeer gehindert werden. Da gibt es keine Prüfung, ob Menschen ein Recht auf Schutz haben“, sagte er dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.
Der CDU-Politiker Thorsten Frei würdigte die Genfer Konvention als „wichtigste internationale Vereinbarung für den Flüchtlingsschutz“. Sie sei aber nicht frei von Mängeln, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Eines der großen Defizite sei sicher das Fehlen von Regelungen zur internationalen Zusammenarbeit.
Flüchtlingskonvention nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sagte zum Jahrestag der Verabschiedung der Flüchtlingskonvention, es müsse klar sein: „Die Würde und die Rechte von Menschen auf der Flucht sind unverhandelbar.“ Doch immer dort, wo sich die Flüchtlingskonvention in der Umsetzung bewähren müsse, gerate sie zunehmend auch selbst unter Druck, sagte Bedford-Strohm dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.
Das „Abkommen über die Rechtstellung der Flüchtlinge“ (Genfer Flüchtlingskonvention) war am 28. Juli 1951 in Genf verabschiedet worden und 1954 in Kraft getreten. Nach den Vertreibungen des Zweiten Weltkrieges und den Verfolgungen der Nationalsozialisten gewährten die Staaten den Flüchtlingen eine Reihe von Rechten, um sie in den Aufnahmeländern zu schützen.