Helfer über Tigray: "Die humanitäre Lage ist ein Desaster"

Frankfurt a.M./Addis Abeba - Hilfsorganisationen haben laut dem Äthiopien-Landesdirektor der Welthungerhilfe, Matthias Spaeth, weiterhin nur beschränkt Zugang in die Konfliktregion Tigray. „Die humanitäre Lage ist ein Desaster“, sagte Spaeth dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zwar lasse die äthiopische Regierung seit der Verkündung einer Waffenruhe Ende Juni wieder Hilfe in die Region. Aber immer noch gebe es „keinen echten Zugang zu vielen der am schwersten betroffenen Gebiete“.

„Ich hatte mit vielen humanitären Krisen zu tun, aber eine so schwierige und komplexe Situation habe ich noch nicht erlebt“, sagte Spaeth, der seit 30 Jahren für verschiedene Entwicklungs- und Hilfsorganisationen arbeitet. Inzwischen seien Milizen aus sechs verschiedenen Regionen in die Kämpfe involviert und es sei schwierig, die vorliegenden Informationen zu verifizieren. „Diese Unsicherheit ist außergewöhnlich.“ Weil das Internet vielerorts in Tigray nach wie vor nicht funktioniere, sei die Kommunikation zwischen den Helfern vor Ort und der Zentrale in Addis Abeba extrem schwierig.

Verunsicherung bei internationalen Helfern

Anfang November war ein militärischer Konflikt zwischen der Zentralregierung und der TPLF ausgebrochen, die zuvor die Regionalregierung in Tigray gestellt hatte. Dadurch wurden seither Tausende Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben. Nach UN-Angaben leiden bis zu 400.000 Menschen unter lebensbedrohlichem Hunger. Ende Juni hatte die Zentralregierung einen einseitigen Waffenstillstand verkündet. Allen beteiligten Konfliktparteien werden Kriegsverbrechen wie sexuelle Gewalt, Erschießungen von Zivilisten und die Blockade humanitärer Hilfe vorgeworfen.

Laut Spaeth hat sich der Zugang für humanitäre Hilfe seit der Verkündung der Waffenruhe zwar etwas verbessert. So habe die Regierung Hilfskonvois des UN-Welternährungsprogramms (WFP) und Flüge in die Konfliktregion zugelassen. Allerdings sei die Sicherheitslage äußerst angespannt. Nach dem Beschuss eines WFP-Konvois am Sonntag seien viele Hilfsoperationen vorübergehend eingestellt worden. „Gerade ist wieder alles ein bisschen am Stocken“, sagte der 59-Jährige. Aufgrund der jüngsten Eskalation hätten bereits einige Organisationen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder aus der Region abgezogen.

Spaeth verwies auf die Gefahr, der sich Helferinnen und Helfer in Tigray aussetzen. Gemäß vorliegenden Informationen seien seit Beginn des Konflikts zwölf Mitarbeiter von internationalen Organisationen getötet worden, sagte er. Ob es gezielte Angriffe waren, könne er nicht beurteilen - „aber es trägt enorm zur Verunsicherung bei“.

Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!