Koblenz - In dem weltweit ersten Prozess zu syrischer Staatsfolter rückt vor dem Oberlandesgericht Koblenz auch das Thema sexualisierte Gewalt gegen Frauen in den Fokus. Das Verfahren könne so international deutlich machen, dass das Regime von Machthaber Assad Vergewaltigung als Kriegswaffe einsetze, sagte die Prozessbeobachterin und Grünen-Abgeordnete im Europa-Parlament, Katrin Langensiepen, am Montag auf einer virtuellen Pressekonferenz.
Die Offenlegung von sexualisierter Gewalt sei umso wichtiger, da das Thema in der syrischen Gesellschaft selbst ein Tabu sei. Frauen dürften dort nicht darüber reden oder würden als Opfer sogar geächtet und verstoßen, sagte Langensiepen. Es sei deshalb enorm wichtig, wenn der Prozess diesen Frauen eine Stimme gebe. Die Grünen-Politikerin forderte auch eine stärkere Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen, die sich für Betroffene einsetzen.
Mit Blick auf die Kriegsverbrechen in Syrien könne es für Europa keine diplomatischen Beziehungen mit dem Assad-Regime mehr geben, machte Langensiepen deutlich: „Wir werden ihm keine Bühne geben.“ Eine Rückkehr zu diplomatischer Normalität, zu der auch der Austausch mit Botschaftern gehöre, sei nicht möglich. Eine entsprechende Resolution wurde jüngst vom EU-Parlament verabschiedet.
Sexualisierte Gewalt als Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung
Das im April 2020 begonnene Koblenzer Verfahren (AZ: 1 StE 9/19) richtet sich gegen zwei frühere syrische Geheimdienst-Mitarbeiter. Ende Februar verurteilte das Gericht einen der Angeklagten, Eyad A., zu viereinhalb Jahren Haft. Der Prozess gegen den Hauptangeklagten Anwar R. wird fortgesetzt. Im März aktualisierte das Gericht die Anklage und stufte sexualisierte Gewalt als systematisches Verbrechen gegen die syrische Zivilbevölkerung ein. Davor waren R. Vergewaltigung und sexuelle Nötigung als Einzeltaten zwar bereits nach dem deutschen Strafgesetz, aber nicht nach dem Völkerstrafrecht vorgeworfen worden. Mit einem Urteil wird zum Ende des Jahres gerechnet.
R. war beim syrischen Geheimdienst unter anderem für das berüchtigte Foltergefängnis der Abteilung 251 verantwortlich, das unter dem Namen Al Khatib bekannt ist. Die beiden Angeklagten hatten Syrien laut Bundesanwaltschaft vor rund sieben Jahren verlassen und waren 2014 beziehungsweise 2018 nach Deutschland gekommen. Sie wurden im Februar 2019 festgenommen. Nach dem Weltrechtsprinzip können Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit überall geahndet werden - unabhängig davon, in welchem Land die Taten verübt wurden.