Hamburg - Die Europäische Union muss nach Einschätzung der Afrika-Expertin Nicole Hirt im Tigray-Konflikt mehr Druck auf Äthiopien ausüben. Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit sollten vorerst nicht mehr ausgezahlt oder an Bedingungen geknüpft werden, sagte die Politikwissenschaftlerin vom Hamburger Giga-Institut dem Evangelischen Pressedienst (epd). Denkbar wären auch finanzielle Sanktionen gegen einzelne Regierungsmitglieder.
Anfang November war ein militärischer Konflikt zwischen der Zentralregierung und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) ausgebrochen, durch den seither Tausende Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben wurden. Nach UN-Angaben hungern bis zu 400.000 Menschen in der Region. Der äthiopischen Regierung wird unter anderem vorgeworfen, humanitäre Hilfe zu blockieren. Auch den involvierten Truppen des Nachbarlandes Eritrea werden Kriegsverbrechen vorgeworfen. Hirt bezeichnete die Situation in Tigray als eine „politisch herbeigeführte Hungersnot“. Die Bevölkerung leide enorm unter dem Machtkampf.
Druck von außen auf Abiy Ahmed nötig
Die USA haben inzwischen Strafmaßnahmen gegen die Konfliktparteien verhängt, und auch die EU hat Direkthilfen für den äthiopischen Staatshaushalt ausgesetzt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte am Montag laut Medienberichten gefordert, über die Verhängung von Sanktionen nachzudenken.
Die Ostafrika-Expertin Hirt plädierte dafür, die Auszahlung von Entwicklungsgeldern an Bedingungen zu knüpfen. „Die äthiopische Regierung ist auf das Geld angewiesen“, sagte sie. Finanzmittel sollten nur noch fließen, wenn die äthiopische Regierung humanitäre Hilfe nach Tigray lasse und alle eritreischen Truppen abgezogen seien. Zudem solle die EU auf Friedensverhandlungen drängen. Humanitäre Hilfe müsse jedoch weiterhin ins Land, betonte Hirt.
Strafmaßnahmen gegen einzelne Mitglieder der Regierung, etwa das Sperren von Konten, seien zwar grundsätzlich möglich, aber nicht zielführend, sagte Hirt. Solche Maßnahmen könnten häufig mit Hilfe von informellen Kanälen umgangen werden. Ob Sanktionen die humanitäre Lage in Tigray verbessern, sei schwer abzusehen. „Aber in der Vergangenheit hat der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed nie ohne Druck von außen reagiert“, sagte die Politikwissenschaftlerin.