Frankfurt a.M./Addis Abeba - Acht Monate nach Beginn der Kämpfe in Tigray hat sich das äthiopische Militär offenbar teilweise aus der Region zurückgezogen. Äthiopische Soldaten, die von eritreischen Truppen unterstützt werden, hätten unter anderem die Städte Mekelle und Shire verlassen, berichtete der Sender BBC am Mittwoch unter Berufung auf UN-Mitarbeiter. Anti-Regierungstruppen kontrollieren demnach immer mehr Gebiete in Tigray und wollen sich nach eigener Aussage nicht an einen von der äthiopischen Regierung einseitig erklärten Waffenstillstand halten.
Äthiopische und eritreische Truppen liefern sich in der Region seit November heftige Kämpfe mit der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), die dort an der Macht war, und mit ihr verbündeten Rebellen. Am frühen Dienstagmorgen hatte die Zentralregierung überraschend eine einseitige Waffenruhe erklärt. Die Afrikanische Union (AU) begrüßte den Schritt und rief die Regierung auf, sich für einen permanenten Waffenstillstand einzusetzen.
Warnung vor möglichen Racheakten
Derweil äußerten sich Menschenrechtler besorgt über die Lage der Zivilbevölkerung in Tigray. Amnesty International warnte vor möglichen Racheakten während des Rückzugs der Armee. Alle beteiligten Konfliktparteien müssten neue Massaker und Kriegsverbrechen verhindern, erklärte die stellvertretende Amnesty-Regionaldirektorin für das Horn von Afrika, Sarah Jackson, am Dienstagabend.
Hintergrund des Konflikts ist ein Streit um die Macht zwischen der Zentralregierung und der TPLF, der Anfang November eskalierte. Tausende Menschen wurden getötet, rund 1,6 Millionen befinden sich auf der Flucht. Nach UN-Angaben sind bis zu 350.000 Menschen in Tigray von einer Hungersnot bedroht. Sowohl den Regierungstruppen als auch der TPLF sowie den mit ihr verbündeten Rebellen werden schwere Verbrechen wie systematische Vergewaltigungen, ethnisch-motivierte Massaker und der Einsatz von Hunger als Kriegswaffe vorgeworfen.