Friedensgutachten: Covid-19-Friedensdividende statt Militärausgaben

Deutschland und Europa müssen deutlich mehr in Frieden investieren und dafür Militärausgaben senken. Zu diesem Ergebnis kommt das neue Friedensgutachten. Denn die größten Krisen seien militärisch ohnehin nicht zu bewältigen.

Berlin - Die Corona-Pandemie erhöht laut Friedensgutachten 2021 vielerorts die Gefahr gewaltsamer Konflikte und beeinträchtigt gleichzeitig Friedensbemühungen. Daher müssten Militärausgaben weltweit begrenzt und die Gelder stattdessen in die Milderung der Folgen von Covid-19 fließen, forderte Nicole Deitelhoff vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung der jährlich erscheinenden Untersuchung. Corona könne nicht militärisch bekämpft werden, gehöre aber gemeinsam mit dem Klimawandel zu den größten Krisen der Gegenwart. Deshalb müsse eine „Corona-Friedensdividende“ ausgeschüttet werden.

Laut Gutachten lag die Zahl gewaltsamer Konflikte weltweit 2019, also vor der Pandemie, mit insgesamt 121 auf einem sehr hohen Niveau. Besonders heftige Konflikte mit mehr als 1.000 Kriegstoten gab es demnach in Afghanistan, Libyen, dem Jemen, Nigeria, Somalia und Syrien. Afghanistan sei das am stärksten von Gewalt betroffene Land. Seit 2020 seien Konflikte in Äthiopien und der zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittenen Kaukasusregion Bergkarabach hinzugekommen.

Eine große Rolle in bewaffneten Auseinandersetzungen hätten nichtstaatliche Akteure wie Rebellen, Milizen oder Drogenkartelle. Insbesondere dschihadistische Gruppen wie Al-Kaida und Islamischer Staat (IS) prägten viele Konflikte und Kriege: Dem Gutachten zufolge waren im Jahr 2019 mehr als 70 Prozent aller Kriegstoten auf Kämpfe zurückzuführen, an denen Dschihadisten beteiligt waren. Mehr als die Hälfte aller aktiven Konflikte tobten in Afrika (67).

EU muss "friedenserhaltende Politik" in den Mittelpunkt stellen

Beim Abbau demokratischer Errungenschaften wirke indes die Corona-Pandemie wie ein Brandbeschleuniger, betonte Deitelhoff. Deshalb müsse die EU, wo derzeit verteidigungspolitische Fragen dominierten, eine friedenserhaltende Politik in den Mittelpunkt stellen. Mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden habe Europa auch wieder einen Partner, der multilaterale Institutionen und Verträge wertschätze.

Laut Gutachten müssen konfliktgefährdete Länder präventiv stärker unterstützt werden. Europa müsse beim Aufbau staatlicher Strukturen im Globalen Süden helfen, damit die Menschen dort medizinisch versorgt würden, Zugang zu Bildung und zu sauberem Wasser bekämen. Wegen der Pandemie müssten solche Bemühungen noch einmal intensiviert werden. Auch müssten weitere Schuldenerleichterungen für arme Länder beschlossen werden sowie eine faire Verteilung von Covid-19-Impfstoff.

Forderung: Rüstungsausgaben international senken

Um dies zu finanzieren, sollen nach Argumentation der Friedensforschungsinstitute die Rüstungsausgaben international gesenkt und begrenzt werden. Ein Aufruf dazu könne etwa von der UN-Generalversammlung beschlossen werden. Deutschland solle sich in den Vereinten Nationen und bei den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern (G20) dafür einsetzen, dass die Gelder, die in Militär und Waffen fließen, umgewidmet werden. In der Nato-Militärallianz müsse die Bundesregierung auf eine Abkehr vom Zwei-Prozent-Ziel drängen. Bei diesem Ziel geht es darum, dass die Mitgliedsstaaten einen bestimmten Anteil ihres Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben.

Das Friedensgutachten erscheint jährlich seit 1987. Beteiligt sind die Friedensforschungsinstitute Bonn International Center for Conversion, das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg sowie das Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen. 
 

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