Den Haag - Erstmals muss ein Anführer der berüchtigten zentralafrikanischen Rebellengruppe LRA wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ins Gefängnis. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag verhängte am Donnerstag eine 25-jährige Haftstrafe gegen den Ugander Dominic Ongwen, der unter anderem wegen Mordes, Vergewaltigung, Plünderungen und mehrerer Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Uganda verurteilt ist. Die gut sechs Jahre, die Ongwen in Untersuchungshaft saß, werden von der Strafe abgezogen. Die Verkündung des Strafmaßes war mit Spannung erwartet worden, weil der etwa 46-Jährige als Kind selbst Opfer der „Widerstandsarmee des Herrn“ war, später jedoch zu einem ihrer Anführer aufstieg.
Der Vorsitzende Richter aus Deutschland, Bertram Schmitt, sagte, Ongwen sei trotz seiner eigenen Entführung als Kind voll zurechnungsfähig, habe eigenständig gehandelt und nicht versucht, die Rebellengruppe zu verlassen. Das Gericht könne jedoch seine Erfahrungen brutaler Gewalt als Kind nicht ignorieren und verhänge deshalb eine geringere Strafe.
Ongwen war als Kind in Norduganda verschleppt worden und stieg zu einem Stellvertreter des flüchtigen LRA-Chefs Joseph Kony auf. Die Verteidigung hatte argumentiert, Ongwen leide durch seine Erfahrungen an einer geistigen Störung und sei zu den Verbrechen genötigt worden. Bei seiner Verurteilung Anfang Februar hatten die Richter das Argument jedoch abgelehnt und Ongwen in 61 von insgesamt 70 Anklagepunkten schuldig gesprochen.
Unter Ongwen wurden Flüchtlingslager angegriffen und geplündert
Ongwen hatte dem Urteil zufolge mehrere Jahre lang unter anderem Mädchen entführen lassen, die als Sexsklavinnen missbraucht oder mit LRA-Kämpfern zwangsverheiratet wurden. Unter Ongwens Führung wurden laut dem Gericht zudem Flüchtlingslager angegriffen und geplündert. Die Entscheidung des Strafgerichtshofs im Februar war die erste Verurteilung eines LRA-Anführers weltweit. Die LRA wird für den Tod, die Entführung und Vertreibung von Zehntausenden Menschen verantwortlich gemacht.
Der Prozess gegen Ongwen war im Dezember 2016 eröffnet worden und war das bisher umfangreichste Verfahren am Internationalen Strafgerichtshof. Die Höchststrafe, die das Gericht verhängen kann, liegt bei 30 Jahren Haft, in Ausnahmefällen auch lebenslang. Ongwen hat bereits Berufung gegen seine Verurteilung eingelegt und kann auch das Strafmaß anfechten. Der Ugander hatte sich im Januar 2015 nach mehreren Jahren auf der Flucht der Justiz gestellt.