Berlin - Die Corona-Pandemie führt weltweit zu Einschnitten bei den Freiheitsrechten. Das geht aus dem am Dienstag in Berlin veröffentlichten „Atlas der Zivilgesellschaft 2021“ des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“ und des internationalen Netzwerks Civicus hervor. Demnach lebten 2020 fast 90 Prozent der Weltbevölkerung in Staaten, wo die Räume für gesellschaftspolitisches Engagement beschränkt, unterdrückt oder gar geschlossen sind - fünf Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Unter dem früheren US-Präsidenten Donald Trump rutschten auch die USA in die Kategorie „beschränkt“ ab.
Fast jeder vierte Mensch weltweit, insgesamt zwei Milliarden, lebt den Angaben nach in einem Staat, der erst gar keine zivilgesellschaftlichen Aktivitäten zulässt, der Raum dafür also „geschlossen“ ist. Die Menschen, die ungehindert ihre Meinung sagen können, sind mit zwölf Prozent deutlich weniger. Von einer „Erosion der Grundrechte“ ist in dem Atlas in Bezug auf die amerikanischen Kontinente die Rede. Dort seien vier Länder herabgestuft worden: Costa Rica, Chile, Ecuador und die USA - in erster Linie, weil Regierungen mit harschen Repressionen auf Massenproteste reagierten. In den USA sei der Grund aber auch ein „stetig verschlechternder Umgang mit der Meinungs- und Redefreiheit“ gewesen.
Wenig Freiheiten im Nahen Osten und Nordafrika
Im Nahen Osten und Nordafrika gewähre wiederum kein einziges Land genügend Raum für gesellschaftliche Freiheiten. Der Irak wurde im Bericht zuletzt auf die unterste Kategorie herabgestuft, weil die Machthaber auf die anhaltenden Anti-Korruptions-Proteste mit massiven Verletzungen von Menschenrechten reagiert hätten: Aktivistinnen und Aktivisten sowie Journalisten seien angegriffen und getötet worden.
„Die Entwicklung der Freiheitsrechte zeigt seit Jahren vor allem nach unten - und das vergangene Jahr markiert einen neuen Tiefpunkt“, erklärte „Brot für die Welt“-Präsidentin Dagmar Pruin. Sie verwies darauf, dass die Corona-Pandemie in vielen Ländern die ohnehin schlechte wirtschaftliche Lage weiter verschärft habe. Daher hätten vielerorts Menschen mehr Gerechtigkeit, Zugang zu Pandemie-Nothilfe und ein Ende von Korruption und Veruntreuung gefordert. „Doch als Antwort darauf bekämpften Regierungen in vielen Ländern nicht die Ursachen für den Protest, sondern den Protest selbst.“
Corona als Vorwand für Repression
Als Beispiel nannte Pruin die Philippinen, wo mehr als 100.000 Menschen zwischen März und September 2020 mit dem Vorwurf, sie hätten sich nicht an die Pandemie-Regeln gehalten, verhaftet worden seien. In Simbabwe habe wiederum die Regierung Nahrungsmittel auf nicht genehmigten Märkten verbrennen und Straßenhändler misshandeln lassen - obwohl gleichzeitig der Hunger massiv zugenommen habe. In El Salvador seien Menschen mit verdächtigen Symptomen häufig wochenlang in Quarantänezentren interniert gewesen. Repressive Regierungen hätten die Pandemie genutzt, um unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes gegen Kritik vorzugehen.
Im Bericht werden etliche Regierungen genannt, die ihren Bürgern pauschal untersagten, für ihre Anliegen auf die Straße zu gehen. So seien etwa in Südafrika, Russland, Indien, Brasilien, Polen, Mosambik und Nicaragua mit Verweis auf den Infektionsschutz Ausgangssperren verhängt und Versammlungen verboten worden.