Göttingen - In der syrisch-kurdischen Region Afrin dauert die Schändung, Plünderung und Zerstörung von Friedhöfen und Heiligtümern durch das türkische Militär und verbündete islamistische Milizen nach Angaben von Menschenrechtlern an. "Nach der gewaltsamen Vertreibung von etwa 300.000 Menschen aus Afrin im Frühjahr 2018 und der völkerrechtswidrigen Besetzung dieser Region in Nordsyrien scheinen das türkische Militär und radikale syrische Milizen selbst vor der Totenruhe jeden Respekt verloren zu haben", sagte der Nahost-Experte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido, am Donnerstag in Göttingen.
Die Menschenrechtsorganisation prangert bereits seit drei Jahren entsprechende Taten an. Nun seien viele weitere Fälle dokumentiert worden. Demnach haben Mitglieder der von der Türkei unterstützten "Syrischen Nationalarmee" Gräber in den Distrikten Bulbul und Dschindires zerstört. Türkisches Militär habe den Friedhof im Dorf Kafr Schil in einen Viehmarkt umgewandelt - dort seien zuvor Kurden beigesetzt worden, die gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" gekämpft hatten. Auch Friedhöfe in den Ortschaften Matenli und Seydo sollen zerstört worden sein.
Nach Informationen der Gesellschaft für bedrohte Völker haben Milizen auch mehrere religiöse Schreine der jesidischen und alevitischen Religionsgemeinschaften zerstört. "Wahrscheinlich suchen türkische Militärangehörige und ihre syrischen Söldner oft Antiquitäten", sagte Sido. Afrin liege im "Tal der toten Städte" zwischen Aleppo und Antiochia und sei reich an archäologischen Schätzen. Die Menschenrechtler richteten einen Appell an Außenminister Heiko Maas (SPD): Er solle vom Nato-Partner Türkei verlangen, diese international geächteten Praktiken umgehend zu beenden.