Ungewissheit über Truppenabzug belastet Afghanistan

In Afghanistan vergeht kaum ein Tag, ohne dass ein neuer Anschlag verübt wird. Die Nato steht vor einem Dilemma. Wenn sie ihre Soldaten nicht bis Ende April abzieht, wird deren Einsatz gefährlicher. Auch für die Bundeswehr.

Dubai/Kabul - "Afghanistan wird unabhängig bleiben", versichert Präsident Aschraf Ghani. Doch die Zukunft des Landes am Hindukusch bleibt weiter unklar. Die Friedensgespräche mit den radikal-islamischen Taliban stocken. Inzwischen hat sich neben den USA auch Russland eingeschaltet, um zu vermitteln. Doch bislang ohne greifbares Ergebnis. Und die Gewalt dauert an.

Die Taliban "wollen die alleinige Macht", klagt Afghanistans Sicherheitsberater Hamdullah Mohib. Frieden sei überhaupt nicht das Ziel der Aufständischen. Die Taliban indes drohen, dass sie weiter kämpfen werden, falls ausländische Streitkräfte bis Mai nicht das Land verlassen haben. Sie hätten sich an das Abkommen mit den USA gehalten und ihre militärischen Operationen deutlich verringert. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sieht dies anders: "Es gibt zu viel Gewalt in Afghanistan. Das ist das Entscheidende!"

Ungewissheit überschattet Enscheidung im Bundestag

Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Nato ihren Einsatz wie von den Taliban gefordert beendet. Die Ungewissheit überschattet auch die Entscheidung des Bundestags am Donnerstag, das Afghanistan-Mandat bis Ende Januar 2022 zu verlängern. Dass es für die bis zu 1.300 deutschen Soldatinnen und Soldaten vermutlich gefährlicher werden wird, räumt die Regierung bereits ein.

Die Taliban haben sich in den vergangenen Monaten mit strategischen Offensiven im Süden und Norden des Landes bedeutende Vorteile verschafft. Im Süden kontrollieren sie nun die Bezirke um die wichtige Provinzstadt Kandahar, die zweitgrößte Stadt des Landes. Im Norden haben sie die Außenposten um die Stadt Kundus besetzt. 

Taliban kontrollieren wichtige Straßen

Wichtige Verbindungsstraßen in den Norden, etwa zwischen Baghlan und Kundus, sind zum Teil in ihrer Hand. Auf der Straße zwischen Baghlan und Balkh entfernten Spezialeinheiten der afghanischen Armee Checkpoints der Taliban, doch die Aufständischen sind schon wieder zurück.

Einer Erhebung zufolge beherrschen die Taliban inzwischen etwas mehr als die Hälfte des Landes. Gleichzeitig vergeht kein Tag, an dem nicht Attentate auf Beamte, Richterinnen und Richter, Politikerinnen und Politiker, Medienschaffende, Polizei- und Armeechefs verübt werden. Zwar streiten die Taliban offiziell die Urheberschaft dafür ab, doch es ist schwer, hier keine Strategie zu sehen.

Augenmerk auf USA und Taliban

Während die innerafghanischen Verhandlungen stocken, richtet sich das Augenmerk auf den Deal zwischen den Taliban und den USA. Das Abkommen, das die Regierung von Ex-Präsident Donald Trump Ende Februar 2020 geschlossen hat, sieht einen Abzug der noch verbliebenen 2.500 US-Soldaten bis Ende April vor. Vor einem Jahr hatten die USA noch 13.000 Soldaten in Afghanistan stationiert. Derzeit sucht die neue Regierung von Präsident Joe Biden eine Möglichkeit, innerhalb des Vertrags Handlungsspielraum zu schaffen. 

Doch die Trump-Regierung schuf bereits Tatsachen. Noch nach der Niederlage bei der US-Präsidentenwahl im November ordnete Trump den Abzug von weiteren 5.000 Soldatinnen und Soldaten an. Ob für Biden jetzt eine Verlängerung oder gar Ausweitung der fast 20-jährigen Militärmission wirklich noch eine Option ist, ist ungewiss. 
 

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