Berlin - Im Afghanistan-Konflikt streben sowohl die USA als auch die Taliban nach Einschätzung der Konrad-Adenauer-Stiftung eine zügige Lösung an. Sie gehe davon aus, dass die USA einen neuen Abzugstermin festlegen, verbunden mit weiteren Konditionen etwa zur Reduzierung der Gewalt, sagte die Leiterin des Stiftungs-Büros in Kabul, Ellinor Zeino, am Montag bei einem virtuellen Pressegespräch. Einen Abzug vor Mai erwarte aktuell niemand mehr.
Der Einsatz in Afghanistan begann vor fast 20 Jahren als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA. Vor etwa einem Jahr unterzeichnete Washington ein Friedensabkommen mit den radikal-islamischen Taliban. Der damalige Präsident Donald Trump wollte bis zum 30. April dieses Jahres die US-Truppen abziehen. Die Nato-Staaten beraten derzeit über das weitere Vorgehen. Am Donnerstag stimmt laut vorläufiger Tagesordnung der Bundestag über eine Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr bis zum 31. Januar 2022 ab.
Zunehmende Kluft zwischen USA und Europa
Zeino geht davon aus, dass die Entscheidung über das künftige Vorgehen in Afghanistan in Washington gefällt wird. Sie sprach von einer zunehmenden Kluft zwischen dem Pragmatismus der USA und einer eher werteorientierten Haltung der Europäer.
Innerafghanisch fehle indes noch die Bereitschaft zum Kompromiss, bei der Regierung sowie bei den Taliban. So zweifelten die Islamisten etwa an demokratischen Wahlen: Sie befürchteten, schlecht abzuschneiden oder dass ihnen das Schicksal drohe, wie dem islamistischen Präsidenten Ägyptens Mohammed Mursi, der vom Militär gestürzt wurde.
Kompromiss, in dem sich alle Seiten wiederfinden
Einen stabilen Frieden kann laut Zeino nur eine neue Ordnung bringen, in der sich alle Seiten wiederfänden. Als Beispiel nannte sie den Erhalt der islamischen Republik, angereichert mit theokratischen islamischen Elementen: etwa durch eine politische Mitsprache religiöser Autoritäten im Sinne eines Rates islamischer Gelehrter.
Sie wies darauf hin, dass das islamische Recht (Scharia), das die Taliban durchsetzen wollten, in manchen Punkten fortschrittlicher sei als lokale Stammesgesetze: So erlaube die Scharia, dass Frauen erbten und sich scheiden ließen, die afghanischen Stammesgesetze aber in der Regel nicht.