Berlin - Hilfsorganisationen sehen massive Schwachstellen im Regierungsentwurf für ein Lieferkettengesetz und fordern den Bundestag zu Nachbesserungen auf. Das Bündnis "Initiative Lieferkettengesetz" stellte am Mittwoch in Berlin eine rechtliche Stellungnahme mit 14 Änderungsvorschlägen zu dem Regelwerk über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten vor. Dazu gehören eine zivilrechtliche Haftung, eine eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflicht und eine gleichwertige Verpflichtung für die gesamte Lieferkette.
Franziska Humbert von Oxfam erläuterte, dass nach den bisherigen Plänen die Sorgfaltspflichten vollumfänglich nur für direkte Zulieferer gelten sollten und in abgeschwächter Form für alle weiteren. Aldi, Lidl, Rewe und Co. müssten demnach meist nur bei in Deutschland ansässigen Lebensmittelherstellern oder Agenturen, die das Obst oder Gemüse importierten, auf die Menschenrechtsrisiken achten. Sie wies daraufhin, dass viele Verstöße aber in den Fabriken und auf den Plantagen am Anfang der Lieferketten eintreten. Humbert betonte zudem, dass unter anderem Aldi und Lidl schon Maßnahmen ergriffen hätten, um sich über Zustände am Anfang der Lieferketten zu informieren. Vor diesem Hintergrund drohe das Gesetz also, den Status quo sogar zu unterlaufen.
"Risikobranchen müssten gesondert erfasst werden"
Miriam Saage-Maaß vom Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) ging auf die fehlende zivilrechtliche Haftungsregel ein. Zwar könnten Betroffene von ausbeuterischer Arbeit und Menschenrechtsverletzungen wie bisher vor deutsche Gerichte ziehen und Schadenersatz fordern. Allerdings werde der Fall nach dem jeweiligen Recht des Staates beurteilt, in dem die Fabrik oder die Plantage ist. Das bringe viele Unwägbarkeiten mit sich.
Maren Leifker vom evangelischen Hilfswerk "Brot für die Welt" sprach sich dafür aus, dass Risikobranchen, etwa Lebensmittel und Textil, gesondert erfasst werde müssten. Denn meist handele es sich um kleine oder mittlere Unternehmen, für die das Regelwerk nicht gelte.
Der Regierungsentwurf, der in den kommenden Monaten im Parlament beraten wird, sieht vor, dass großen deutschen Firmen künftig Zwangs- und Bußgelder drohen, wenn ihre ausländischen Geschäftspartner Kinder arbeiten lassen oder Armutslöhne zahlen.