Brüssel - Das geplante EU-Lieferkettengesetz soll nach dem Willen der federführenden Europaabgeordneten Lara Wolters Unternehmen Sorgfaltspflichten grundsätzlich für die gesamte Lieferkette auferlegen. Zugleich sollten die Firmen einen Ermessensspielraum erhalten, erklärte die niederländische Sozialdemokratin am Donnerstag bei einem Video-Pressegespräch. Die Firmen würden bei der Prüfung ihrer Lieferkette einer Risikobewertung folgend Prioritäten setzen können. In der Textilindustrie könnten dies zum Beispiel die Risiken sexueller Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz oder von Kinderarbeit sein.
Wolters äußerte sich als Berichterstatterin des Rechtsausschusses des Parlaments vor der für kommende Woche erwarteten Abstimmung über eine Resolution zum geplanten EU-Lieferkettengesetz. Die Abgeordneten wollen mit der Resolution den Gesetzesvorschlag der EU-Kommission beeinflussen, der im Juni ansteht. Dieser Vorschlag geht dann wiederum an das Parlament sowie die Regierungen im Rat der EU, damit die beiden Institutionen ihn beraten und verabschieden.
Streit um strafrechtliche Sanktionen
Das Gesetz beträfe laut Resolutionsentwurf sowohl Unternehmen mit Sitz in der EU als auch von außerhalb, die im Binnenmarkt Geschäfte machen, erklärte die Linken-Abgeordneten Manon Aubry. Das umfasse auch kleine und mittlere Betriebe, allerdings nur in begrenztem Umfang, nämlich nur börsengelistete oder in "Risikosektoren" tätige Unternehmen, sagte Aubry bei dem Pressegespräch.
Die Französin machte zudem deutlich, dass Unternehmen für Verstöße gegen die geplanten Sorgfaltspflichten dem Resolutionsentwurf zufolge mit Bußgeldern belegt werden könnten und sie zivilrechtlich haften müssten. "Leider gibt es keine strafrechtlichen Sanktionen", sagte Aubry. Der CDU-Abgeordnete Axel Voss verteidigte diese Beschränkung. Strafrechtliche Sanktionen seien in dem Lieferkettengesetz nicht angebracht, weil es im Strafrecht stets ein individuelles Verschulden brauche. "Und man kann hier nicht Unternehmen ins Gefängnis stecken."
In Deutschland hat das Bundeskabinett am Mittwoch ein eigenes Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht. Der Entwurf, der noch vom Bundestag beschlossen werden muss, verpflichtet Unternehmen, bei ihren internationalen Partnern auf die Einhaltung von Menschenrechten und auf Umweltschutzkriterien zu achten. Tun sie das nicht, drohen Zwangs- und Bußgelder. In Kraft treten soll das Gesetz in zwei Schritten: ab 2023 soll es für die etwa 600 großen Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten gelten, ab 2024 für insgesamt knapp 3.000 Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten.