Erstmals syrischer Geheimdienstler wegen Folter verurteilt

Im weltweit ersten Prozess wegen Staatsfolter in Syrien fällte das Oberlandesgericht Koblenz am Mittwoch das erste Urteil gegen einen früheren syrischen Geheimdienstler: Haft wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 

Koblenz - Erstmals hat ein Gericht einen syrischen Geheimdienst-Mitarbeiter wegen Staatsfolter verurteilt. Das Oberlandesgericht Koblenz verhängte am Mittwoch eine viereinhalbjährige Haftstrafe gegen Eyad A.. Die Richter befanden ihn für schuldig, Beihilfe zu Folter und Freiheitsberaubung geleistet zu haben (Az 1 StE 3/21). Die Bundesanwaltschaft hatte fünfeinhalb Jahre Haft gefordert. Die Verteidiger des Angeklagten hatten auf Freispruch plädiert. Sie hatten argumentiert, der 44-Jährige habe unter Befehlsnotstand gehandelt. Der Prozess gegen einen weiteren Ex-Geheimdienstler, den Hauptangeklagten Anwar R., wird fortgesetzt. Es ist der weltweit erste Prozess wegen staatlicher Folter in Syrien. Menschenrechtsorganisationen werteten das Urteil als ersten Schritt zu Gerechtigkeit für die Opfer.

Die Richter sahen es als erwiesen an, das Eyad A. im Herbst 2011 mindestens 30 Menschen nach der Auflösung einer Demonstration in das Foltergefängnis Al-Khatib brachte. Er habe dabei die brutale Folterung der Festgenommenen billigend in Kauf genommen. Als strafmildernd erkannte das Gericht an, dass er mit einer Aussage zur Aufklärung der weitaus schwereren Tatvorwürfe gegen den Mitangeklagten Anwar R. beigetragen habe. Zudem sei er lediglich Gehilfe gewesen.

Verteidiger fordern Freispruch 

Die Verteidiger argumentierten, dass Eyad A. sein eigenes Leben und das seiner Familie gefährdet hätte, wenn er sich den Befehlen seiner Vorgesetzten verweigert hätte. Deshalb forderten sie Freispruch. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass Eyad A. dem repressiven Sicherheitsapparat viele Jahre angehörte. Außerdem habe er sich zu einem Zeitpunkt freiwillig von einer Bürotätigkeit in den operativen Dienst versetzen lassen, als die brutale Niederschlagung der Protestbewegung bereits lief.

Nach dem Weltrechtsprinzip können Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit überall geahndet werden, ganz gleich, wo die Taten verübt wurden. In Deutschland ist dies durch das Völkerstrafgesetzbuch von 2002 geregelt.

Urteil mit Signalwirkung

Amnesty International sprach von einem historischen Urteil. Der Prozess sei ein wichtiges Signal, dass die internationale Gemeinschaft die seit Jahren bekannten Verbrechen nicht toleriere und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehe, sagte der Generalsekretär des deutschen Zweigs der Menschenrechtsorganisation, Markus N. Beeko. Mit dem Urteil seien die Verbrechen gegen die Menschlichkeit der syrischen Regierung erstmals gerichtlich belegt worden, erklärte Patrick Kroker von der Berliner Menschenrechtsorganisation ECCHR. "Die Relevanz dieser Beweise reicht weit über das Verfahren in Koblenz hinaus," sagte der Anwalt, der in dem Prozess Folteropfer als Nebenkläger vertritt. Die Kampagne #SyriaNotSafe verlangte, Abschiebungen nach Syrien auszusetzen.

Eyad A. musste sich zusammen mit dem Hauptangeklagten Anwar R. seit April vor dem Koblenzer Gericht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Sein Verfahren war Anfang Februar abgetrennt worden. Der Prozess gegen Anwar R. dauert fort. Ihm legt die Bundesanwaltschaft zur Last, zwischen April 2011 und September 2012 für die Folter von mindestens 4.000 Menschen und die Tötung von 58 Menschen verantwortlich zu sein. Die beiden Ex-Geheimdienstler hatten Syrien laut Bundesanwaltschaft vor rund sieben Jahren verlassen und waren 2014 beziehungsweise 2018 nach Deutschland gekommen. Sie wurden im Februar 2019 festgenommen. 
 

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