Frankfurt a.M. - Die schlimmen Befürchtungen von Hilfswerken und Nothilfeorganisation sind ausgeblieben. Auch in Zeiten von Corona spenden die Menschen in Deutschland für Projekte in den Ländern des Südens. "Die Bereitschaft dazu ist sehr groß", weiß die Geschäftsführerin des Verbands entwicklungspolitischer Organisationen (Venro), Heike Spielmans. "Die Pandemie trägt dazu bei, über den eigenen Tellerrand zu schauen und zu sehen, dass es vielen noch viel schlechter geht als uns." Die eigene Betroffenheit erhöhe dabei die Solidarität.
Diese Beobachtung teilt auch Burkhard Wilke vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen. "Von einem Spendeneinbruch kann nicht die Rede sein", sagt der Geschäftsführer der Einrichtung, die das Spendensiegel vergibt. Zwar hätten im Sommer einige kleinere Organisationen weniger Zuwendungen erhalten, weil die Präsenzveranstaltungen abgesagt werden mussten. "Aber die meisten konnten das mit Ersatzveranstaltungen vor allem im digitalen Bereich kompensieren." Auch an Weihnachten, der wichtigsten Jahreszeit für Spenden, erwartet er keinen Rückgang. Wilke geht davon aus, dass das Spendenvolumen dieses Jahr in Deutschland bei rund 11 Milliarden Euro liegen wird, nach 10,5 Milliarden 2019.
Dass diese Zahl so konstant bleibt, führt Wilke unter anderem darauf zurück, dass ein Großteil der Spender wohlhabende und eher ältere Menschen sind. "Beide Gruppen sind von Pandemie-Auswirkungen wie Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit weniger oder gar nicht betroffen." Ältere Menschen seien zudem ausgesprochen dankbar dafür, dass die Gesellschaft Rücksicht auf sie nehme als in der Pandemie besonders gefährdeten Gruppe: "Sie möchten ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen."
Einbruch im März und April
Carsten Scholz, Leiter der Fundraising-Abteilung der Deutschen Welthungerhilfe, sieht noch ein weiteres Motiv: "Viele spenden das Geld, das sie in diesem Jahr nicht ausgegeben haben, für Reisen oder andere Unternehmungen, die nicht möglich waren." Auch er geht davon aus, dass die Spendeneinnahmen der Welthungerhilfe in diesem Jahr konstant bleiben, wenn nicht sogar höher ausfallen. "Krisenzeiten sind Zeiten großer Hilfsbereitschaft." Aber zunächst sei es schon schwierig gewesen einzuschätzen, wie sich das Jahr entwickeln würde.
Für die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye bietet sich ein etwas anderes Bild. Im März und April seien die Spenden extrem eingebrochen, sagt Geschäftsführer Gorden Isler. "Für uns war das auf Anhieb bedrohlich, wir gehen immer ein hohes Risiko ein, weil wir nicht viele Rücklagen haben." Im April sei das Sea-Eye-Rettungsschiff "Alan Kurdi" ausgelaufen. "Das hat uns viel Kritik eingebracht, wie wir das in Zeiten von Corona machen können." Gleichzeitig seien nach der damaligen Rettung von etwa 150 Flüchtlingen im Mittelmeer auch viele Spenden eingegangen. "Unsere Klarstellung, dass zu jeder Zeit Menschen vor dem Ertrinken gerettet werden müssen, wurde belohnt."
Kleinere Initiativen befürchteten schwierige Zeiten
Caritas International verzeichnet höhere Einzelspenden bei gleichbleibendem Volumen. "Aber wir haben auch bei der Finanzkrise 2008 weitgehend gleich viel erhalten wie davor, obwohl wir auf alles gefasst waren", sagt Sprecher Achim Reinke. Auch er führt das darauf zurück, dass viele Spender nicht so sehr von Krisen betroffen seien, weil sie Rücklagen hätten.
Die Absage großer Präsenzveranstaltungen trifft die medizinische Hilfsorganisation Action Medeor. Doch durch Online-Spenden, kreative Aktionen von Spenderinnen und Spendern wie Maskenverkauf zugunsten des Hilfswerks und vielen zweckgebundenen Zuwendungen zur Corona-Bekämpfung in den Ländern des Südens habe dies fast ausgeglichen werden können, erläutert Sprecher Markus Bremers.
Allerdings wachsen die Befürchtungen der Hilfsorganisationen wieder, je länger die Pandemie andauert, wie Heike Spielmans von Venro betont. Besonders kleinere Initiativen, die viel ehrenamtlich leisten, befürchteten schwierige Zeiten, sollten die wirtschaftlichen Probleme größer werden: "Bei vielen Organisationen wächst die Sorge mit Blick auf das nächste Jahr."