Genf - Die Corona-Pandemie hat laut den Vereinten Nationen viele Millionen Menschen in tiefe Not gestürzt. Rund 235 Millionen Kinder, Frauen und Männer seien im nächsten Jahr auf humanitäre Hilfe und Schutz angewiesen, teilten die UN am Dienstag in Genf mit. Damit habe die Zahl der Menschen, die Unterstützung benötigen, einen Höchststand erreicht, erklärte UN-Generalsekretär António Guterres. Innerhalb eines Jahres sei die Zahl der Bedürftigen um 40 Prozent gewachsen.
Guterres rief die Weltgemeinschaft zur Solidarität mit den Menschen in deren "dunkelster Stunde" auf. Sie litten nicht nur unter den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie, sondern auch unter Konflikten, Vertreibung, extremem Wetter und Naturkatastrophen. Guterres veranschlagt 35 Milliarden US-Dollar (29 Milliarden Euro), um die humanitäre Hilfe im kommenden Jahr zu finanzieren.
Maas fordert mehr finanzielles Engagement
Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte, diese Not, rufe alle zum Handeln auf. Das schaffe nicht allein die humanitäre Hilfe. Es brauche auch Krisenvorsorge, Entwicklungszusammenarbeit und diplomatische Anstrengungen, sagte er in einer Videobotschaft zur Präsentation des humanitären Ausblickes für 2021 des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA).
Die Millionen Menschen, die aufgrund von Kriegen, Naturkatastrophen und der Corona-Pandemie Not litten, bedürften der Solidarität, fügte der Außenminister hinzu. "Das bedeutet mehr finanzielles Engagement aller Länder und Geber, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind", sagte Maas. Deshalb habe die Bundesregierung die Ausgaben für humanitäre Hilfe in den vergangenen vier Jahren verdoppelt, auf annähernd 2,1 Milliarden Euro für 2020.
Pandemie bedroht bisherige Fortschritte
Der UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock betonte, die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass Fortschritt keine unaufhaltbare Kraft sei. Bis Ende dieses Jahres werde die Zahl der Menschen, die zu verhungern drohen, mit 270 Millionen fast doppelt so hoch sein wie vor der Pandemie. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise und die Auswirkungen von Einschränkungen zur Bekämpfung des Virus bedrohten bisherige Fortschritte. Um das zu verhindern, sei deutlich mehr Geld nötig. "Doch die Kluft zwischen den benötigten Mitteln und der tatsächlichen Finanzierung wächst immer weiter", sagte Lowcock. "Wir sind an einem, kritischen Punkt, denn die Entscheidungen, die wir heute treffen, sind entscheidend."
Die UN und ihre Partner wollen für 160 Millionen besonders bedürftige Menschen Lebensmittel, Wasser, Medizin, Kleidung und Unterkünfte bereitstellen. Zudem sollen Kinder, etwa in Flüchtlingslagern, unterrichtet werden und Impfungen erhalten. Zu den 56 Ländern, in denen die Hilfe geleistet wird, gehören Afghanistan, Jemen, Mali, Myanmar, Südsudan, Syrien und Venezuela.
Im Zuge der Corona-Pandemie riegelten zahlreiche Länder ihre Grenzen ab und schlossen Betriebe, Märkte und öffentliche Einrichtungen. Dadurch gerieten ohnehin schwache Volkswirtschaften in eine bedrohliche Lage, die Armut weitete sich stark aus. Besonders die Menschen in den Staaten des Südens seien die Leidtragenden der globalen ökonomischen Talfahrt, erklärten die UN.