Frankfurt a.M./Addis Abeba/New York - Die äthiopische Regierung lehnt ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft in den Konflikt mit der Region Tigray ab. Die Weltgemeinschaft solle warten, bis die Regierung um Unterstützung bitte, sagte Ministerpräsident Abiy Ahmed am Mittwoch. Die andauernden Kämpfe und ein Ultimatum für die Führung in Tigray, das am Mittwochabend ablaufen sollte, hatten in den vergangenen Tagen weltweit Besorgnis ausgelöst.
UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, er sei tief besorgt über die Entwicklungen in Tigray. Sein Sprecher forderte am Dienstagabend, die Konfliktparteien müssten alles tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen und die dringend benötigte humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Der Stellvertreter des deutschen Botschafters bei den Vereinten Nationen in New York, Günter Sautter, forderte nach Beratungen des UN-Sicherheitsrats am Dienstagabend ein schnelles Ende der Kämpfe und sofortigen, uneingeschränkten Zugang für Hilfsorganisationen. Alle Parteien müssten zusammenarbeiten, um die Einheit Äthiopiens zu bewahren, erklärte Sautter.
Keine unabhängigen Berichte über die Lage vor Ort
In Tigray droht die Eskalation eines militärischen Konflikts zwischen der Zentralregierung in Addis Abeba und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), die die Region im Norden des Landes kontrolliert. Ministerpräsident Abiy hat der TPLF ein Ultimatum gestellt, das am Mittwochabend auslaufen sollte. Eigenen Angaben zufolge bewegt sich die Regierungsarmee auf die Regionalhauptstadt Mekelle zu. Weil die Region weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten ist, gibt es keine unabhängigen Berichte über die militärische Lage. Abiy hat Gespräche mit der TPLF und internationale Vermittlungen bisher abgelehnt.
Die äthiopische Menschenrechtskommission teilte am Dienstagabend mit, bei einem Massaker in der Mai-Kadra seien Mitte November mindestens 600 Menschen getötet worden. Mitglieder einer bewaffneten Gruppe, die unter dem Namen Samri bekannt ist, hätten mit Unterstützung der Polizei in Tigray verschiedene Bevölkerungsgruppen angegriffen, besonders Angehörige der Amhara und Wolkait, heißt es in einem vorläufigen Untersuchungsbericht der von der Regierung unabhängigen Kommission. Die TPLF hatte die Verantwortung für das Massaker bisher zurückgewiesen.
Die Armee der äthiopischen Regierung und die TPLF liefern sich seit Anfang November heftige Kämpfe um die Kontrolle der Region. Hintergrund ist ein Streit um die Macht und den Einfluss der Tigray-Volksgruppe in der Zentralregierung von Ministerpräsident Abiy. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen sind in den vergangenen Tagen rund 40.000 Menschen von Tigray ins Nachbarland Sudan geflohen und auf humanitäre Unterstützung angewiesen.