Genf/Addis Abeba - Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hat angesichts der drohenden Eskalation des Tigray-Konflikts in Äthiopien alle Seiten zur Zurückhaltung aufgerufen. Die Regierung und die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) müssten klare Anweisungen an ihre Truppen geben, die Zivilbevölkerung zu verschonen und zu schützen, forderte Bachelet am Dienstag in Genf. Eigenen Angaben zufolge bewegt sich die Regierungsarmee auf die Regionalhauptstadt Mekelle im Norden Äthiopiens zu.
In Tigray droht damit die Eskalation eines militärischen Konflikts zwischen der Zentralregierung in Addis Abeba und der TPLF-Regionalregierung. Ministerpräsident Abiy Ahmed hat der TPLF ein Ultimatum gestellt, das am Mittwochabend ausläuft. Die Regierung teilte am Dienstag auf Twitter mit, eine große Zahl TPLF-Kämpfer habe sich bereits friedlich ergeben. Der Anführer der TPLF, Debretsion Gebremichael, hatte Medienberichten zufolge jedoch am Montagabend erklärt, seine Truppen würden nicht aufgeben. Weil die Region weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten ist, gibt es keine unabhängigen Berichte über die Lage.
Humanitäre Lage an der Grenze verschlechtert sich
UN-Hochkommissarin Bachelet äußerte sich besorgt über die mutmaßliche Aufrüstung mit Panzern und Artillerietruppen rund um Mekelle. Das Welternährungsprogramm (WFP) teilte am Dienstag mit, die humanitäre Lage an der Grenze zum Nachbarland Sudan verschlechtere sich rapide. Laut WFP sind rund 24,6 Millionen US-Dollar (20,7 Millionen Euro) an Soforthilfen nötig. Schätzungen der UN zufolge sind in den vergangenen Tagen rund 40.000 Menschen von Tigray in den Sudan geflohen. Der UN-Sicherheitsrat wollte sich im Lauf des Dienstags mit Äthiopien befassen.
Die Armee der äthiopischen Regierung und die TPLF, die in Tigray an der Macht ist, liefern sich seit Anfang November heftige Kämpfe um die Kontrolle der Region. Hintergrund ist ein Streit um die Macht und den Einfluss der Tigray-Volksgruppe in der Zentralregierung von Ministerpräsident Abiy.