Bonn, Berlin (epd). Mehr als eine Viertelmilliarde Kinder und Jugendliche haben den UN zufolge keinen Zugang zu Bildung. Millionen weitere Schülerinnen und Schüler würden aufgrund ihrer Herkunft, Identität oder Behinderung innerhalb des Bildungssystems ausgegrenzt, heißt es in dem am Dienstag vorgestellten Unesco-Weltbildungsbericht 2020. Für sie seien zudem die Folgen der Corona-Pandemie besonders schlimm. Die frühere neuseeländische Premierministerin Helen Clark bezeichnet die Covid-19-Pandemie als größte Herausforderung für den Bildungssektor in der Geschichte.
Im April waren wegen der Corona-Krise nach Angaben der Unesco weltweit über 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler von Schulschließungen betroffen, heute seien es immer noch zwei Drittel. 40 Prozent der ärmsten Länder hätten benachteiligte Schülergruppen während der Corona-Krise überhaupt nicht erreichen können, beklagte Clark, die Vorsitzende des Beirats für den Weltbildungsbericht ist.
Mit und ohne Behinderung
Die größte Hürde für den Zugang zu Bildung ist laut der UN-Bildungsorganisation nach wie vor die Armut: In allen Ländern, außer denen mit hohem Einkommen in Europa und Nordamerika, schlössen im Verhältnis zu 100 der reichsten Jugendlichen nur 18 der ärmsten die Sekundarschule ab, heißt es in dem Bericht "Inklusion und Bildung: Für alle heißt für alle". In mindestens 20 Ländern, vor allem in Afrika südlich der Sahara, komme kaum ein armes Mädchen aus dem ländlichen Raum bis zum Sekundarschulabschluss.
Doch auch aus zahlreichen anderen Gründen werden Kinder und Jugendliche demnach von inklusiver und chancengerechter Bildung ausgeschlossen. So sei in einem Viertel aller Länder weltweit die getrennte Bildung von Kindern mit und ohne Behinderung gesetzlich vorgeschrieben.
Schlechter Internetzugang
Durch die Schulschließungen während der Pandemie sei für benachteiligte Mädchen und Jungen auch soziale Unterstützung etwa durch Schulspeisungen oder Dienste für Schulkinder mit Behinderungen weggefallen, berichtete Unesco-Generalsekretärin Audrey Azoulay. Sie hätten zudem aufgrund fehlender Endgeräte, schlechtem Internetzugang oder einer wenig förderlichen Lernumgebung zu Hause kaum Nutzen aus Angeboten des Online-Lernens ziehen können.
Minderheiten und Geflüchteten hätten in vielen Ländern der Welt keinen hinreichenden Zugang zu hochwertiger Bildung, kritisieren die Autoren der Studie. Auch sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität könnten zu Ausschluss führen. So hätten junge Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuelle in den USA fast drei Mal häufiger als ihre Klassenkameradinnen und -kameraden angegeben, der Schule fernzubleiben, weil sie sich dort nicht sicher fühlten.
Hochwertige Bildung
Die Covid-19-Pandemie habe die Ungleichheiten weiter verstärkt und die Zerbrechlichkeit der Gesellschaften erneut offengelegt, erklärte Azoulay. Die Krise könne nun den Anstoß geben, "resilientere und effektivere Bildungssysteme für morgen zu bauen".
Der Unesco-Weltbildungsbericht untersucht jährlich die Fortschritte bei der Umsetzung des globalen Nachhaltigkeitsziels vier. Darin heißt es, dass "bis 2030 für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen" sichergestellt werden sollen.