Sicherheitsexperte bedauert UN-Blockade zu globalem Waffenstillstand

Oxfam: Wirksame Pandemie-Bekämpfung nur ohne Kämpfe
Die Idee eines weltweiten Waffenstillstandes in Corona-Zeiten ist gescheitert. Schuld waren laut Experten Rivalitäten und Machtpolitik einzelner Politiker. Doch auch Waffen exportierende Länder tragen demnach Verantwortung.

Genf (epd). Der Sicherheitsexperte Jean-Marc Rickli bedauert die Blockade eines globalen Waffenstillstands während der Corona-Pandemie durch den UN-Sicherheitsrat. Ein derartiger Beschluss, wie von UN-Generalsekretär António Guterres vorgeschlagen, wäre ein wichtiges Symbol für die Förderung des Friedens weltweit gewesen, sagte Rickli am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst in Genf. Der Leiter der globalen Risiko-Bewertung des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik sieht das Vorhaben durch die Ablehnung der USA schwer beschädigt.

Auch die Hilfsorganisation Oxfam warf dem UN-Sicherheitsrat Versagen vor. Weltweit lebten zwei Milliarden Menschen in Konfliktgebieten, wo Gesundheitssysteme kollabierten und Krankenhäuser bombardiert würden, erklärte Oxfam am Dienstag in Berlin. Die Corona-Pandemie lasse sich nur dann wirksam bekämpfen, wenn nicht weiter gekämpft werde. Stattdessen handelten zahlreiche Länder weiter mit Waffen und Kriegsgeräten, darunter auch Deutschland. "Die weltweiten Militärausgaben lagen im vergangenen Jahr bei über 1,9 Billionen US-Dollar, mehr als 280 Mal dessen, was die Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie veranschlagen."

Rivalität zwischen den USA und China

UN-Generalsekretär Guterres hatte im März alle Konfliktparteien zu einer globalen Waffenruhe aufgerufen, um gemeinsam die Corona-Pandemie zu bekämpfen. Insgesamt standen zuletzt mehr als 110 Länder hinter dem Aufruf. Deutschland und weitere Staaten setzten sich für eine Resolution des Sicherheitsrates ein. Dies sei nötig, erläuterte Rickli. "Nur der Sicherheitsrat kann im UN-System völkerrechtlich verbindliche Entscheidungen treffen, eine Resolution des Rates hätte dem Appell das nötige Gewicht gegeben."

Der UN-Appell wurde laut Rickli Opfer der zunehmenden Rivalität zwischen den USA und China. "Die USA und China haben die Muskeln spielen lassen. Das zeigt, wie zwei Mächte das internationale politische System dominieren." Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe versucht, die Initiative zu retten. Doch die USA hätten eine internationale Führungsrolle Macrons nicht zulassen wollen. "Das Ganze ist eine harte Machtpolitik und reflektiert das oftmalige Versagen der UN, sich kollektiv auf Lösungen für globale Herausforderungen zu einigen."

Nichtstaatliche Stellvertreter

Oxfam sieht besonders die Länder in der Verantwortung, die Waffen herstellen. "Waffenexportländer müssen aufhören, Konflikte zu schüren und stattdessen Druck auf Kriegsparteien ausüben, einem globalen Waffenstillstand zuzustimmen", forderte Krisen-Experte Robert Lindner. Dies gelte auch für die Bundesregierung. "Wer die Menschen vor der Corona-Pandemie schützen will, darf nicht weiter das Geschäft mit dem Tod betreiben." Viel mehr müssten staatliche Gelder in die Verhütung und Bewältigung von Konflikten investiert werden. Stärker unterstützt werden sollen laut einem Bericht der Hilfsorganisation vor allem lokale Gemeinschaften und Einzelpersonen, die sich für Frieden einsetzen, insbesondere Frauen.

Ein weiteres Problem sieht Rickli in der Struktur vieler bewaffneter Konflikte. Mehr und mehr kämpften nichtstaatliche Akteure wie Rebellengruppen und Terrororganisationen in den Konflikten, etwa in Syrien. Staaten stützten sich zunehmend auf nichtstaatliche Stellvertreter, um sich selbst die Hände nicht schmutzig zu machen. "Die UN sind aus Mitgliedsländern zusammengesetzt. Viele nichtstaatliche Akteure fühlen sich von Appellen wie dem Aufruf zum globalen Waffenstillstand der UN nicht angesprochen", sagte der Experte.

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