Nairobi (epd). Mit dem Computer in der Hand führt Mohamed Dakane über das Gelände des SOS-Krankenhauses in der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Online übermittelt die Kamera Bilder der Flachbauten. Ein Besuch vor Ort ist wegen der Corona-Krise unmöglich, die somalische Regierung hat die Grenzen geschlossen. Das soll die Verbreitung des neuartigen Virus beschränken - und erschwert zugleich den Kampf gegen die Pandemie.
Dakane, der medizinische Leiter des SOS-Krankenhauses, kann das Personal nicht so gut schützen, wie es nötig wäre. Gesichtsmasken, Desinfektionsmittel und Handschuhe sind kaum zu bekommen, die Preise drastisch gestiegen. Der Arzt hat große Angst vor der Infektion von Angestellten. "Dann müssten wir das Krankenhaus praktisch schließen", sagt er. Die Klinik ist eine der größten im Land, mit 124 Betten und 400 ambulanten Patienten am Tag.
Kein öffentliches Gesundheitssystem
Nach 30 Jahren Bürgerkrieg gibt es in Somalia kein öffentliches Gesundheitssystem. Die Regierung beschränkt sich fast ausnahmslos darauf, die Bemühungen von Hilfsorganisationen oder privaten Anbietern zu überwachen. Mehr als ein Drittel aller Behandlungszentren haben noch nicht einmal Zugang zu fließendem Wasser. Schätzungen zufolge gibt es in Somalia nur einen Arzt für 50.000 Einwohner. Bisher hat Somalia erst an die 400 Corona-Infektionen und etwa 20 Tote gemeldet. Aber weil kaum getestet wird, sagt die Zahl wenig aus. Dakane geht davon aus, dass sich das Virus in Mogadischu und dem Rest des Landes schon verbreitet hat. "Mein Gefühl ist, dass eine Katastrophe auf uns zukommt."
In Somalia sind die Schulen geschlossen, es gilt eine nächtliche Ausgangssperre. Um die Beschränkungen durchzusetzen, wendet die Polizei nach einem Bericht des Senders Al-Dschasira immer wieder exzessive Gewalt an. Am Freitag wurde demnach mindestens ein Mensch erschossen. Das löste am Abend Proteste aus, die auch am Samstag andauerten.
Außer den Ärzten und Krankenschwestern nähmen viele Menschen die Warnungen vor Covid-19 nicht ernst, sagt der Journalist Ahmed Duurow dem epd am Telefon. Viele Menschen sagten: "Schlimmer als die Terroranschläge kann es nicht werden." Ein Mann habe an den Anschlag vom 14. Oktober 2017 erinnert. Durch die Explosion einer Lastwagenbombe wurden mehr als 800 Menschen getötet.
Zweieinhalb Millionen Menschen auf der Flucht
Vor Bürgerkrieg, Terror, Dürre und Überschwemmung sind landesweit gut zweieinhalb Millionen Menschen auf der Flucht. Viele von ihnen hatten schon vor der Corona-Krise kaum genug für das tägliche Überleben. Bereits in Zeiten vor Corona hätten vor allem Flüchtlinge, aber auch andere Menschen "schon zu Hause eine Triage machen müssen", sagt Ulrike Last, die in Somalia für die Hilfsorganisation "Handicap International" arbeitet. Sie müssten also entscheiden, für welches kranke Familienmitglied sie die Behandlung bezahlen können - falls sie sich überhaupt eine leisten könnten.
Laut den Vereinten Nationen hatten in Somalia schon vor der Corona-Krise mehr als vier Millionen Menschen nicht genug zu essen. Wenn die Armut infolge der Pandemie weiter zunimmt, könnte das der terroristischen Shabaab-Miliz nutzen, warnt Elissa Jobson von der International Crisis Group. "Die Regierung und Sicherheitskräfte sind abgelenkt und damit beschäftigt, die weitere Verbreitung von Covid-19 zu verhindern." Steigende Armut und der Kollaps des - kaum vorhandenen - Gesundheitssystems könnte der islamistischen Miliz sogar neue Anhänger zutreiben. Denn immer wieder nutzen Terrorgruppen die Schwäche von Staaten aus, um Menschen mit dem Versprechen von mehr Hilfe auf ihre Seite zu ziehen.
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